Lassen Sie mich daher in einigen wenigen Sätzen zu unserer Auffassung von Kammer, von Mitwirkung von gesellschaftlich relevanten Gruppen in unserem Staate an der politischen Willensbildung etwas sagen. Wenn es richtig ist, daß nach Artikel 1 der Bundesverfassung vom Staatsvolk alles Recht ausgeht, dann ist sicher nicht bloß die Summe der Individuen gemeint, sondern dieses Staatsvolk ist ein mehrfach gegliedertes und insbesondere auch nach Interessen gegliedertes Volk. Das anerkennt die Verfassung, wenn sie ermöglicht, daß in verschiedener Weise örtlich und durch gemeinsame Interessen abgegrenzte Gemeinschaften zu Selbstverwaltungskörpern zusammengefaßt werden.
Man muß sich in der gesamten grundsätzlichen Debatte die Unterschiedlichkeit dieser Interessenvertretungen etwa gegenüber Privaten vor Augen halten: Private Verbände sind eine freie Schöpfung der Bürger, Selbstverwaltungskörper sind eine Schöpfung des Staates. Private Verbände beruhen auf Vereinsfreiheit, Selbstverwaltungskörper beruhen auf der Organisationsgewalt des Staates. Bürger können ihre Interessen in voller Freiheit kollektivieren, der Staat hat nur öffentliche Interessen zu verfolgen und kann daher den Selbstverwaltungskörpern nur die Wahrnehmung bestimmter öffentlicher Aufgaben übertragen. Im Gegensatz zu den privaten Verbänden tragen Selbstverwaltungskörper bei Wahrnehmung dieser öffentlichen Aufgaben Gemeinwohlverantwortung – das ist ein außerordentlich hoher Anspruch. Mein Vorredner hat darauf hingewiesen, was in den letzten Novellen an Aufgaben und an Kontrollmechanismen in den Kammern eingerichtet worden ist. Daß es – es sei mir gestattet, das zu sagen – einer "Zachariade" bedurfte, um diesen Anstoß zu geben, ist nicht gerade ein besonderes Ruhmesblatt.
Zur Frage der Berichtspflicht an Nationalrat und Landtage und zur Frage der Veröffentlichung möchte ich das unterstreichen, was gerade Selbstverwaltung immanent ist: die autonome Beschlußgestaltung. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der besondere Unterschied ist ja gerade, daß Selbstverwaltung vom Staat aus einer bestimmten Gruppe zur Besorgung, zur eigenverantwortlichen Besorgung ihrer Anliegen übertragen ist und lediglich eine nachprüfende Aufsicht durch den zuständigen Bundesminister installiert ist.
Daß die Kammern gerade bei den stattgefundenen Befragungen ein hohes Maß an Zustimmung erreichen konnten, freut mich außerordentlich. Das ist in Bereichen der Landwirtschaftskammern so gewesen, bei einzelnen Kammern der freien Berufe, bei Wirtschaftskammern – Zustimmungen von um die 80 Prozent! Erst vergangene Woche haben wieder zwei Kammern, nämlich die Bauernkammer in Tirol mit einer 60prozentigen Beteiligung und einer 97,9prozentigen Zustimmung und die Landarbeiterkammer in Tirol mit 72 Prozent Beteiligung und einer 98,7prozentigen Zustimmung, ihr Ja zu dieser Konstruktion gesagt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wahr ist, daß das Kammersystem in Europa zurzeit in wenigen Ländern ausgeprägt ist – neben Österreich in Luxemburg, im Saarland und in Bremen. Und wenn ich nicht etwas anderes zu tun hätte – das kann ich Ihnen versichern –, könnte ich als Handlungsreisender, als Werbender in Fragen Kammersystem in anderen Ländern viel Geld verdienen. Wir sind im Augenblick sehr gefragt in Westeuropa, denn man möchte wissen, wie wir denn das mit diesem Pfeiler der Sozialpartnerschaft, einem Kammersystem machen, daß wir auf diese Art und Weise die politische Willensbildung der gesellschaftlichen Gruppen bewerkstelligen können.
Ich kann dem Abänderungsantrag des Herrn Mag. Haupt nichts abgewinnen, da er meines Erachtens das Prinzip der Konzentration des Staates fördert. Unser Prinzip der Mitwirkung ist das Prinzip der Subsidiarität. – Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
15.04
Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Bitte. Redezeit: 10 Minuten.