berechenbare Umgangsformen in der Politik und im öffentlichen Leben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
Meine Damen und Herren! In einer solchen Zeit geht es auch um Mäßigung und Rücksichtnahme in der politischen Argumentation und in der Sprache. In einer solchen Zeit ist das Miteinander wichtiger als das Gegeneinander und das Gegeneinander-Ausspielen. Österreich braucht – so meine ich – eine Regierung, die den Konsens zu ihrer Handlungsmaxime macht und nicht die Polarisierung verstärkt. (Neuerlicher Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
Hohes Haus! Eine Regierungserklärung hat in erster Linie die grundsätzliche politische Positionsbestimmung vorzunehmen. Da diese Bundesregierung Österreich bis zum magischen Jahr 2000 führen soll, sollten am Beginn ihrer Arbeit grundsätzliche Überlegungen stehen, in welche Richtung unser Land steuert und welche Klippen es dabei zu umschiffen gilt.
Unsere Welt verändert sich in einer noch nie gekannten Geschwindigkeit und in einem noch nie gekannten Ausmaß. Daß Politik gefordert ist, daß Politiker gefordert sind, erscheint mir selbstverständlich. Die Zeiten sind krisenhafter geworden, komplexer und unübersichtlicher als je zuvor. Es wird behauptet, Politik und Politiker seien angesichts dessen ratloser geworden. So ist es nicht, meine ich. Sie werden nur zunehmend zu einer Art "universeller Verantwortungsnehmer", wie das der deutsche Soziologe Niklas Luhmann ausdrückt; "universelle Verantwortungsnehmer", die auf möglichst alles möglichst rasch, möglichst generell und möglichst konkret Antworten parat haben müssen. Diese Ansprüche sind von niemandem, auch nicht von Politikern zu befriedigen.
Daher müssen wir mit Ehrlichkeit, mit viel Offenheit und Bereitschaft zur Zusammenarbeit politische Lösungen suchen und auch vorgeben. Das Politikerbild der Zukunft wird nicht mehr ausschließlich sein können, Wohnungen und Darlehen zu verschaffen, Arbeitsplätze zu garantieren und Wirtshausrunden zu bezahlen. Politik der Zukunft wird darin bestehen, den Menschen einen Leitfaden zu geben, ihnen die Möglichkeiten zu eröffnen, aus einer guten ökonomischen und sozialen Absicherung heraus sich selber zu entfalten, ihre eigenen Chancen wahrzunehmen, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen, aber doch zu wissen, im Ernstfall nicht allein zu sein. So müssen wir unsere Gemeinschaft verstehen, meine Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
Die fortschreitende Arbeitsteilung führt zu einer stärker werdenden inneren Unterscheidung in der Gesellschaft. Große Betriebseinheiten werden mehr und mehr in kleine Einheiten zerlegt. Immer größere Anteile der Produktion werden bei Zulieferern bestellt. Oder: Frauen mit Matura – vor zwanzig Jahren zahlenmäßig noch in der Minderheit – sind heute eine bedeutende Gruppe. In weiteren zwanzig Jahren werden sie mehr sein als alle Hilfsarbeiterinnen und Hilfsarbeiter zusammen. Oder: Das traditionelle Lebensmuster, wonach man in der Jugend eine Ausbildung macht, in der man alles für den Beruf Erforderliche erlernt, dieses Lebensmuster wird immer seltener. Es wird vom lebensbegleitenden Lernen abgelöst. Wissen und Information werden schneller, umfangreicher, diversifizierter produziert, verteilt und verkauft, als dies mit den alten ökonomischen Erklärungsmustern heute noch wirklich erfaßbar ist.
Meine Damen und Herren! Diese Beispiele ließen sich fortsetzen. Das sind neue Gesellschaftsbilder, die auch neue Instrumente des Politikmachens verlangen. Nicht mehr der Staat ist für alle und alles zuständig und verantwortlich. Aber er hat für die grundlegenden Absicherungen zu sorgen. Er hat die Infrastruktur bereitzustellen, also Straßen, Bahnen, Schulen, Spitäler, Telekommunikation. Das kostet Geld und kostet angesichts der größeren Bildungschancen, des längeren Lebens und der besseren Gesundheit immer mehr Geld. Verantwortungsvolle Politik wird sich daher immer wieder in das Feld der Alternativen zu begeben und sich dort wegemarkierend zurechtzufinden haben. Dazu gehört es außerdem und vor allem, die wirtschaftlichen Grundlagen so vorzubereiten, daß zukunftsorientierte Arbeitsplätze und damit auch Konsum und Steuerleistungen gesichert sind. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
Hohes Haus! Wir wissen – und wir leben in einer Zeit, in der Arbeitslosigkeit wieder zu einem der drängendsten Probleme unserer Gesellschaft geworden ist; weltweit sind heute mehr als 800 Millionen Menschen ohne Arbeit –, daß auch der Aufschwung der Weltwirtschaft nicht