Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 11. Sitzung / Seite 127

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Gehen Sie doch einmal davon aus, daß behinderte Menschen in den meisten Fällen sowieso nur die Chance haben, in eine Sonderschule zu gehen – nicht, weil sie nicht die Reife hätten, in die Regelschule zu gehen, sondern weil man ihnen dort nur Restplätze anbietet, falls welche vorhanden sind. Behinderte Menschen müssen sich meistens in Form von Abendmatura oder Studienberechtigungsprüfung die Reife für ein Studium erwerben. Im Durchschnitt steigen behinderte Menschen erst mit 24,9 Jahren ins Studium ein. Das brauchen sie in Zukunft gar nicht mehr zu tun, weil sie es sich einfach nicht mehr leisten können. – Auch das ist ein ganz gezielter Schritt, uns aus der Gesellschaft wieder zurückzudrängen, uns die Bildung wieder zu vermiesen und uns ja nicht so weit kommen zu lassen, daß wir für unsere Rechte selber eintreten. (Beifall bei den Grünen.)

Ich und wir alle kennen das seit Jahrzehnten: Es war Ihnen immer recht, wenn behinderte und pflegebedürftige Menschen gut, lieb, brav und dankbar waren. Mit dieser Methodik wollen Sie uns wieder in diese Richtung bringen, so nach der Kopfstreichelmethode: Wir tun alles für dich, aber bitte, wie wir es machen, sagen wir dir. Und du hast nur dankbar zu sein für das, was wir dir irgendwie zugute kommen lassen. Aber bitte stelle keine Ansprüche. – Genau in diese Richtung wollen Sie behinderte Menschen wieder drängen.

Sie wollen es nicht nur psychisch tun oder indem Sie ihnen alle Möglichkeiten zu studieren nehmen, sondern Sie tun es auch finanziell. Es war Ihnen nicht zu blöd – ich habe es bereits in meiner letzten Rede erwähnt –, pflegebedürftigen Menschen, die im Heim wohnen, das Pflegegeld auf 569 S zu reduzieren. (Bundesministerin Dr. Krammer: Taschengeld!) Aber das war noch nicht alles. Inzwischen ist auch klar, daß sich die Länder weitere 10 Prozent der Pension einbehalten. (Abg. Dr. Feurstein: Stimmt doch nicht! Sie sagen immer falsche Dinge!) In der Steiermark – Herr Dr. Feurstein, hören Sie mir zu! – ist es bereits so, daß Menschen, die in Heimen wohnen, nur mehr 10 Prozent ihrer Pension als Taschengeld erhalten sollen.

Bitte, wenn Sie sich einmal ausrechnen, was das für behinderte Menschen oder Menschen, die zwangsweise im Heim leben, bedeutet, dann sehen Sie, daß das ein so menschenunwürdiges Handeln ist, daß Sie sich dafür nur schämen können. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Feurstein: Zuerst informieren, dann reden!)

Wenn Sie das Taschengeld für behinderte Menschen, die keinen Anspruch auf Pension haben oder noch keine Waisenpension et cetera erlangt haben, auf 569 S im Monat reduzieren, dann frage ich Sie: Wie können Sie ernsthaft vertreten, daß Sie auf dieser Grundlage behinderte Menschen zur Selbständigkeit hinführen wollen? – Sie wollen sie zurückdrängen, aber nicht in die Selbständigkeit führen.

Noch eines: Es hat sich erst gestern wieder gezeigt, wie feindlich man uns behinderten Menschen gegenüber eingestellt ist. Abgesehen davon, daß wir nicht mehr erwähnt werden, versucht man jetzt auch, uns direkt auszuweichen. Gestern, als wir vor Tor 4 des Parlaments gestanden sind – viele Hunderte behinderte Menschen! – und mit den Abgeordneten und der Regierung sprechen wollten, hat man sich ein anderes Tor gesucht, wo man hineingegangen ist, unabhängig von der Fraktion. Und als wir dann auch noch Tor 2 vereinnahmten, gingen eben alle beim FPÖ-Eingang hinein. – Nur um uns auszuweichen, nur um nicht mit behinderten Menschen in Kontakt treten zu müssen! So weit sind wir schon wieder. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kröll: Das stimmt aber nicht generell! – Abg. Dr. Graf: Wenn wir das gewußt hätten, dann hätten wir sie nicht hineingelassen!)

Es wäre für behinderte Menschen viel einfacher und wir könnten uns viel besser orientieren, wenn Sie nicht ständig so tun würden, als ob Sie für uns wären. Sagen Sie, daß Sie mit uns nichts mehr zu tun haben wollen und daß Sie sich behinderte Menschen nicht mehr leisten können und wollen. (Beifall bei den Grünen.)

Als Sie es damals zugelassen haben, daß Dr. Singer in Österreich eine Debatte über Euthanasie führen konnte, spürten wir schon, was auf uns zukommt. Aber wir glaubten, daß unsere Bundesregierung doch so fair ist, nicht wieder unser Lebensrecht zu diskutieren. Aber


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