Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 17. Sitzung / Seite 66

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

doch in unmittelbarer Nähe von unserem Land – Verhandlungen aufzunehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Drei weitere Kernkraftwerke in unmittelbarer Nähe zur österreichischen Grenze beschäftigen die Österreicherinnen und Österreicher völlig zu Recht. Die Meldungen, die wir über Temelin hören, beunruhigen vor allem die Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher.

Wenn Sie heute Zeitungen lesen, können Sie daraus ersehen, daß ein entsprechender Katastrophenplan auch in Oberösterreich bereits ausgearbeitet wird, daß vor allem auch in der Tschechischen Republik die Frage des Atomsicherheitsgesetzes noch nicht geklärt ist und insbesondere der tschechische Umweltminister immer wieder betont hat, daß eine Inbetriebnahme von Temelin nur dann in Frage kommt, wenn dieses Gesetz in der Tschechischen Republik in Kraft ist und damit das größtmögliche Maß an Sicherheit gewährleistet werden kann.

Allerdings gibt es keine absolute Sicherheit bei Kernkraftwerken, wie uns die erschütternden Ereignisse der letzten Jahre gezeigt haben. Daher bin ich ganz besonders beunruhigt aufgrund der Meldungen, die wir über das Kernkraftwerk Mochovce und dessen Fertigstellung in den letzten Tagen gehört haben, insbesondere was die Summe, die dafür aufgewendet werden soll, anlangt. Die dafür vorgesehenen 1,2 Milliarden D-Mark reichen bei weitem nicht aus, meine Damen und Herren, um auch nur annähernd Sicherheitsstandards, die westlichen Sicherheitsstandards entsprechen, zu erreichen.

Das wissen die Deutschen. Umso unverständlicher ist es für mich, daß sich ein Weltkonzern wie Siemens auf ein derartiges Risiko einläßt und ein Kernkraftwerk fertigstellt, dessen Schwesternkernkraftwerk in Greifswald nicht fertiggestellt wurde, weil nach westdeutschen Berechnungen die dafür erforderliche Summe das Vierfache betragen hätte, woraus hervorgeht, daß die entsprechende Sicherheit nicht gewährleistet sein kann.

Meine Damen und Herren! Angesichts der Bilder, die wir in den letzten Tagen über Tschernobyl gesehen haben, muß uns das ganz besonders beunruhigen. Mochovce und Bohunice liegen innerhalb eines Umkreises von 120 Kilometern von Wien. Im Umkreis von rund 150 Kilometern von Mochovce liegen die Großstädte Budapest, Bratislava und Wien, eine Bevölkerung von rund 10 Millionen Menschen ist unmittelbar bedroht.

Wenn Sie, meine Damen und Herren, gestern abend die Fernsehsendung über Tschernobyl und die Folgen gesehen haben, dann können Sie sich ausmalen, was bei einem ähnlichen Unfall unserer Region, unseren Kindern drohen würde.

Ich hatte die Gelegenheit, vor zwei Jahren, in meiner Zeit als Umweltministerin, Tschernobyl zu besuchen, und ich hatte als Führer einen Mitarbeiter des ukrainischen Umweltministers, der früher Techniker war, und zwar Techniker im Kernkraftwerk Tschernobyl, also kein Atomkraftgegner, und der in der besagten Katastrophennacht Dienst hatte. Wenn in einem Umkreis von 30 Kilometern überhaupt keine Bevölkerung mehr leben darf und in einem Umkreis von weit über 100 Kilometern heute, zehn Jahre danach, immer noch abgesiedelt wird, wofür 10 Prozent des ukrainischen Bruttoinlandsproduktes aufgewendet werden müssen, dann, so meine ich, kann man ermessen, wie teuer Kernkraft werden kann.

Es hat uns, all jene, die wir einen ehrlichen und intensiven Kampf gegen Mochovce geführt haben, betroffen gemacht, daß Sie, Herr Bundeskanzler – er ist jetzt leider nicht mehr da –, als Sie vor wenigen Wochen in Bratislava die Ehrendoktorwürde entgegengenommen haben, nicht die Gelegenheit wahrgenommen haben, ein entsprechendes Gespräch über dieses für Österreich so brennende Problem zu führen.

Herr Bundeskanzler! Das war ein Schlag ins Gesicht aller Österreicherinnen und Österreicher, die sich zu Recht Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder machen. (Beifall bei der ÖVP.)

Gute Nachbarschaft, meine Damen und Herren, bedeutet nämlich nicht, Probleme, die man hat, unter den Teppich zu kehren, sondern gute Nachbarschaft bedeutet, miteinander zu reden und Lösungen zu finden.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite