Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 23. Sitzung / Seite 118

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

zwischen 260 000 bis 300 000 Ausländer sind und es, je nach Saison, zwischen 260 000 und fast 300 000 Arbeitslose gibt, scheint der Eindruck zu entstehen: Wenn wir die 300 000 Ausländer nicht hätten, hätten wir die 300 000 Arbeitslosen nicht. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Das hat niemand behauptet!)

Meine Damen und Herren! Wer bei allem demagogischen Talent noch ein bißchen Realitätssinn hat (Abg. Ing. Reichhold: Mein Gott, Stummvoll, hast du nicht zugehört?) , wird zugeben müssen, Herr Kollege, daß es wirklich nicht so einfach ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Wir haben einen überaus differenzierten Arbeitsmarkt. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Wer hat das behauptet?) – Das ist die Stoßrichtung Ihrer Anfrage! – Wir haben einen überaus differenzierten Arbeitsmarkt (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Zuhören!) , einen regional, branchenmäßig, berufsmäßig, qualifikationsmäßig überaus zergliederten Arbeitsmarkt. Arbeitskraft ist nicht Arbeitskraft, meine Damen und Herren!

Nimmt die philippinische Krankenschwester der Stadt Wien der arbeitslosen Textilarbeiterin den Arbeitsplatz weg, meine Damen und Herren? Das ist die Fragestellung! (Abg. Dr. Haider: Das ist Demagogie!) Die Argumentation der Freiheitlichen geht genau in diese Richtung!

Noch einmal: Das gilt, egal ob Inländer oder Ausländer. (Abg. Dr. Haider: 36 000 arbeitslose Ausländer! Das ist die Realität!) Der arbeitslose Bauarbeiter im Burgenland hat nichts davon, wenn eine Firma in Vorarlberg einen Werkzeugmechaniker sucht, sonst würde auch – das sage ich in Richtung der Gewerkschaften – das Konzept der 35-Stunden-Woche funktionieren, wenn die Arbeitskräfte beliebig austauschbar wären. Das ist Demagogie, meine Damen und Herren, das ist Angstpropaganda, und das lehnen wir ab! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir haben heute noch – und ich sage es hier, obwohl mich vielleicht manche kritisieren werden, weil ich das als einer, der aus der Wirtschaft kommt, sage – Betriebe – und ich kenne sie; und ich lehne es ab, aber ich verstehe es, daß die Menschen so reagieren –, ich kenne heute im nördlichen Niederösterreich viele Betriebe, die sagen: Was soll ich tun? Ich habe eine Menge vorgemerkte arbeitslose Inländer, die wollen alle am Samstag und Sonntag nicht arbeiten. Ich habe zwei Möglichkeiten: Entweder sperre ich den Betrieb zu, oder ich beschäftige Tschechen schwarz. (Abg. Dr. Haider: Warum geht es bei denen nicht, und warum geht es bei denen?)

Meine Damen und Herren! Das ist die Realität! (Abg. Dr. Haider: Ein Drittel der österreichischen Arbeitnehmer arbeitet außerhalb des Gesetzes, und Sie schauen zu!) Mir ist lieber, wir haben eine Ausländerbeschäftigungspolitik, die geplant ist, die gezont ist, wo aber die illegale Schwarzarbeit vermieden wird, denn die wird heute zum Teil tatsächlich in der Praxis so vollzogen; und das möchte ich nicht. Aber ich möchte nicht haben, daß Betriebe sagen: Bitte, wir bekommen keine inländischen Arbeitskräfte (Abg. Dr. Haider: Wenn die Arbeitszeitgesetze nicht eingehalten werden!) , wir bekommen auch keine ausländischen mit Beschäftigungsbewilligung, daher beschäftigen wir sie illegal. Das möchten wir nicht haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Eines dürfen wir nicht übersehen: Die Fragestellung Inländer – Ausländer – und das hat noch keiner der Vorredner gesagt – trifft ins Zentrum der Frage der Zumutbarkeit der Beschäftigung. Denn, meine Damen und Herren, wenn man sich die letzten 25 Jahre Ausländerbeschäftigung anschaut: Die Ausländer sind nicht von sich aus gekommen, wir haben sie geholt. Und ich gebe zu: Die Wirtschaftskammer hat viele Jahre hindurch Anwerbestellen gehabt, in Belgrad, in Istanbul, weil wir dringend Arbeitskräfte gebraucht haben. Wir haben sie geholt.

Sicherlich ist heute eines zu bedenken: Der berühmte Ausspruch: Arbeitskräfte haben wir geholt und Menschen sind gekommen, dieser Ausspruch ist richtig, und dem muß man Rechnung tragen, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich gebe gerne zu, es ist ein sehr schwieriger Trapezakt, die Balance zwischen Menschlichkeit und Humanität auf der einen Seite und Wirtschaftlichkeit auf der anderen Seite zu finden. Wir haben Menschen bekommen, die wir als Arbeitskräfte geholt haben (Abg. Dr. Haider: Die Österreicher sind auch Menschen! Auch die arbeitslosen Österreicher sind Menschen!) , und hier


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite