Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 25. Sitzung / Seite 143

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Wer sich also dem Vertrauensschutz verpflichtet weiß, braucht nicht zaghaft zu sein im Bereich des Kartellrechtes. Es gibt Möglichkeiten, dem Vertrauensschutz gerecht zu werden und Kartelle aufzulösen, und zwar solche Möglichkeiten, wo nicht enteignet werden muß.

Ich möchte mich jetzt ein paar Überlegungen des Herrn Bundeskanzlers in seiner Anfragebeantwortung zum ORF als Aktiengesellschaft zuwenden. Es ist der ganz klassische Fall, daß sich die Diskussion an einer möglichen Rechtsform festbeißt, und es wurde in der Beantwortung vermieden, die inhaltlichen Fragen zu beantworten. Es mag sich jede mögliche Rechtsform für einen zukünftigen, dem öffentlich-rechtlichen Auftrag entsprechenden Rundfunk eignen. Es mag sich vielleicht sogar die Rechtsform einer Aktiengesellschaft dafür eignen. Es mag sein. Aber es würde mich interessieren: Nach welchen inhaltlichen Mechanismen soll dieser Rundfunk aufgebaut sein? Wer soll welche Kompetenzen haben? Wer soll welche Kontrollrechte haben? Und diese Fragen, die gestellt wurden, wurden nicht beantwortet. Es wurde nur ausgeführt, daß das eben aus Gründen der Lebensfähigkeit des Unternehmens zweckmäßig sei.

Eine Aktiengesellschaft gehorcht aber ganz bestimmten inneren Gesetzmäßigkeiten. Sie ist eine typisierte Form des Handelsrechtes – des Handelsrechtes, nicht des Medienrechtes! – Und sie ist aus dem deutschen Rechtskreis übernommen. Sie ist daher nach dem "Führerprinzip" konstruiert. Der Vorstand einer Aktiengesellschaft ist weisungsfrei und berechtigt zum vollen Durchgriff bis zum letzten Mitarbeiter. Das ist nicht unbedingt das, was ich als Merkmal eines Generalintendanten brauche: Durchgriff bis zum letzten Mitarbeiter und vollkommen weisungsfrei.

Es ist eben die Frage, ob hier nicht auch ein dualistisches System möglich wäre, ob nicht vielleicht die alte Aktiengesellschaft des früheren österreichischen Rechtes besser wäre. Ich deute das jetzt nur einmal an. Es wird zunächst die Rechtsform definiert, und dann kümmert man sich erst um den Inhalt. In der Anfragebeantwortung wurde auf den Inhalt noch dazu nicht eingegangen, aber ich sage ja noch einmal, die Diskussion ist heute eröffnet worden – möglicherweise läßt sie sich zu diesem Inhalt fortsetzen. Es wäre jedenfalls ganz, ganz schlecht, wenn das mit der eröffneten Diskussion, eine Leerformel gewesen wäre, denn wir haben einen dringenden Nachholbedarf. Kollege Kukacka hat deutlich zum Ausdruck gebracht, wir sind – er hat mit "wir" die Bundesregierung gemeint – im Schlafwagen der Medienpolitik gefahren.

Wenn wir als Liberales Forum durch unsere heutige dringliche Anfrage dazu beitragen konnten, daß hier frühzeitig aufgeweckt wurde, dann wären wir froh und würden uns auch freuen. Es wäre vielleicht eine Sternstunde des Parlaments. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Noch ein Aspekt zur Aktiengesellschaft: Der Bundeskanzler hat auf unsere Frage 8 ausgeführt, er denkt sich, die damalige Rundfunk GmbH hatte 115 Millionen Schilling Eigenkapital, und davon hatte 99 Prozent der Bund, und auch in Zukunft wäre die Eigentümerschaft des Bundes und der Länder zweckmäßig. Das sind alles Scheinantworten. Denn die wirklichen Fragen werden nämlich sein, wenn der heutige ORF in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird: Wie führe ich die Vermögen über? Wie bewerte ich? Was wird das wirkliche Stammkapital sein? Was weise ich als Eigenkapital aus? Wie gehen die Dienstrechte über? Was ist mit den Mitarbeitern? Wird das dann vielleicht auch benützt, um eine Restrukturierung auf der Mitarbeiterebene zu machen, oder wird einfach nur umfirmiert? Müssen wieder wie damals in sämtlichen Grundbüchern in Österreich alle Dienstbarkeiten für Sender, alle Eigentumsrechte im Namen geändert werden, weil das Unternehmen anders heißt? Das war damals ein gigantischer Verwaltungsaufwand.

Was ist jetzt der wahre Grund, wenn gleichzeitig zum Ausdruck gebracht wird, die Aktien sollten in Zweifelsfällen nicht oder nur zwischen den Aktionären verkauft werden können? Ja wozu dann Aktien? Aktien sind von ihrem Wesen her Inhaberpapiere, die der freien Verwertung zugänglich sein sollten. Was macht das also für einen Sinn? – Alles Fragen, die nicht beantwortet worden sind, zumal der Bundeskanzler betont hat, eine Privatisierung würde dem öffentlich-rechtlichen Auftrag widersprechen. Man hat also offenbar die Aktiengesellschaft nicht im Auge mit der Absicht, das als ersten Schritt für eine Privatisierung zu verwenden. Daher: Wozu eine Aktiengesellschaft?


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