Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 27. Sitzung / Seite 61

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Daher hat man nicht nur den Effekt, daß die unter 50jährige Frau jetzt vorsichtshalber spätestens mit 49 Jahren gekündigt werden wird, damit das Bonus-Malus-System überhaupt vermieden werden kann. Wenn es einer aber nicht vermeiden kann, dann kündigt er selbstverständlich die über 50jährigen Frauen und nicht die über 50jährigen Männer, weil das einen niedrigeren Malus bewirkt, und stellt die über 50jährigen Männer an und nicht die über 50jährigen Frauen, weil Frauen einen niedrigeren Bonus bringen würden.

Dieser Effekt ist aus dem Sozialbericht glasklar erkennbar, und vor dem Hintergrund dieses Berichtes hat die Bundesregierung dieses Bonus-Malus-System eingeführt. Und das – ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen – ist unerträglich! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es kann jetzt niemand behaupten, das sei sozusagen zufällig passiert. Und dieser und andere Gründe sind es, warum wir der Meinung sind, daß es zwar durchaus richtig ist, diesen Bericht hier zu diskutieren, ihn zustimmend zur Kenntnis zu nehmen, ist aus liberaler Sicht aber leider nicht möglich.

Ein zweiter, noch viel wesentlicherer Aspekt, weil er eine Zukunftsorientierung enthält, ist unser liberaler Antrag zur Neudefinition der unselbständigen Erwerbsarbeit und zur Vereinheitlichung der Pensionsrechte. Kollegin Reitsamer ist kurz darauf eingegangen, und ich muß ihr ganz massiv widersprechen: Dieser unser Antrag hat keine taxative Aufzählung von unmittelbar umzusetzenden Forderungen enthalten, sondern dieser Entschließungsantrag war daraufhin orientiert, die Bundesregierung aufzufordern, einen Operationskalender vorzulegen mit dem Ziel, die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Vereinheitlichung der Arbeitnehmerrechte im Bereich der unselbständigen Erwerbsarbeit und für eine Vereinheitlichung der Pensionsrechte zu schaffen.

Auch wir von der liberalen Fraktion wissen, daß das ein Großprojekt ist, daß das kein Projekt ist, zu dem man einfach einen Antrag vorlegt und sagt: Bitte, ein bisserl diskutieren und dann – friß, Vogel, oder stirb! – beschließen!, sondern daß es hierbei darum geht – selbstverständlich auch in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern –, einen Operationskalender zu erstellen, um endlich das Dienstnehmerrecht in Richtung eines vereinheitlichten Arbeitnehmerrechtes zu entwickeln.

Der ÖGB selbst hat einschlägige einstimmige Beschlüsse gefaßt, allerdings unter Ausklammerung des öffentlichen Dienstes. Wir hingegen möchten den öffentlichen Dienst in diese Reform miteingebunden wissen, aber das ist doch wirklich nur ein bescheidener Unterschied, wenn man um die Mächtigkeit des Problems weiß. Es ist schon verständlich, daß der ÖGB das so gemacht hat. Offensichtlich wollte er sich mit seiner eigenen Gewerkschaft Öffentlicher Dienst nicht anlegen, das kann schon sein, denn sonst hätte er vielleicht die Einstimmigkeit nicht zustande gebracht, aber es geht um die Grundfrage dahinter, und die Grundfrage heißt: Wir brauchen das!

Wir hätten beispielsweise diese schwachsinnige Werkvertragsdebatte überhaupt nicht führen müssen, wenn wir uns endlich dort hineinbewegt hätten. Es hätte sich nämlich herausgestellt, daß dort, wo es sich tatsächlich um unselbständige Erwerbsarbeit im Sinne eines Mitarbeiters, den man anstellt, handelt, der Werkvertrag gar nicht mehr denkmöglich gewesen wäre, dort allerdings, wo es sich tatsächlich um freie Dienstverträge oder um Werkverträge handelt, wäre das bei der Gesamtkodifizierung völlig klar auf den Tisch gekommen. Wir hätten nicht eine sehr komplizierte Rechtsfrage in die subjektive Beurteilung von Meldepflichtigen gestellt, die wir noch dazu bestrafen, wenn sie sich bei der Meldung vielleicht irren.

All das steckt hinter dem Anliegen, das die liberale Fraktion eingebracht hat und das zwar einer Diskussion im Ausschuß unterzogen, aber unter Angabe von Gründen abgelehnt worden ist, die einfach fadenscheinig waren. Kollege Feurstein hat gemeint, das gehe nicht, weil die Arbeitswelt so vielfältig sei. Wir haben geantwortet, daß, wenn es um die grundsätzlichen Rechte von Dienstnehmern geht, die Vielfalt ein sekundäres Argument ist.

Selbstverständlich ist ein einheitliches Dienstnehmerrecht nicht darauf abgestellt, in taxativer Form jeden einzelnen individuellen Arbeitsfall zu regeln, aber offenbar ist es in der Welt der Menschen, die aus Kammern kommen und die in Zünften und Ständen denken, nicht anders


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