Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 27. Sitzung / Seite 226

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Es ist mir ein Bedürfnis, von dieser Stelle aus festzuhalten, was der Herr Bundesminister für Äußeres Dr. Wolfgang Schüssel in politischer Verantwortung objektiv wissen mußte oder wußte: nämlich daß die Behauptung, daß man 300 Millionen Schilling unter diesem Titel einsparen wird können, falsch ist. Er hat daher in seiner Ministerverantwortlichkeit als Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten daran mitgewirkt, daß ein objektiv falscher Bundeshaushalt in der Dimension von 250 Millionen Schilling beschlossen wurde, die Öffentlichkeit objektiv falsch informiert wurde, mit anderen Worten, daß die Menschen über den wahren Sachverhalt in die Irre geführt worden sind.

Ich halte das deswegen für außerordentlich bedenklich, weil ich einfach nicht glauben kann, daß es der Stil einer Bundesregierung sein kann, mit solchen Maßnahmen Republiken zu treffen, die teilweise unter hohem Problemdruck stehen, indem wir völkerrechtliche Verträge kündigen. Ich möchte darauf hinweisen, daß sich die Republik Bosnien-Herzegowina derzeit nur deswegen in einem relativ stabilen Zustand befindet, weil sich auf ihrem Territorium IFOR-Truppen befinden. Wir kennen die Problematik der nunmehrigen Bundesrepublik Jugoslawien, des sogenannten Restjugoslawien. Uns ist die Situation Mazedoniens bekannt, wir kennen die Schwierigkeiten der demokratischen Entwicklung in Kroatien, wir wissen, welche Probleme Slowenien hat. Und gegenüber all diesen Staaten kündigen wir unsere gesamten Sozialabkommen, mit dem einzigen Ziel, die Zahlung von Familienbeihilfen zu vermeiden. Damit nehmen wir in Kauf, daß gleichzeitig auch die wechselseitigen Verpflichtungen im Krankenschutz und im Pensionsrecht gekündigt werden müssen. Und all das, um ein Sparziel für das Jahr 1996 zu erreichen, das im Budget und in den öffentlichen Erklärungen falsch angegeben wurde!

Es ist mir ein wirkliches Bedürfnis, daß in den Protokollen des Hohen Hauses steht, daß der Herr Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten in seiner Ministerverantwortlichkeit daran mitgewirkt hat, daß wir hier falsch informiert wurden, daß im Budget objektiv falsche Ansätze stehen, die – wohlgemerkt – bereits zu dem Zeitpunkt objektiv falsch waren, als sie als Möglichkeiten in den Raum gestellt wurden, weil bereits zu diesem Zeitpunkt die Kündigungsfristen dieser Sozialabkommen eine frühere Auflösung der Verpflichtung, die Familienbehilfe zu bezahlen, nicht möglich gemacht hätten.

Der Herr Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten, der hier die politische Alleinverantwortung hat – darauf, daß das deutlich zum Ausdruck kommt, lege ich großen Wert, und das ist auch in der Ausschußdiskussion ganz klar hervorgekommen –, hat in seiner Ministerverantwortlichkeit etwas getan, was unter normalen Verhältnissen jeden anderen Bundesminister dazu bewegen würde, die Konsequenzen aus seinem verantwortungslosen Handeln zu ziehen und sein Amt zur Verfügung zu stellen. Denn wenn jemand entweder nicht in der Lage ist, sein Ministerium zu überblicken, und nicht weiß, worum es in einer Frage geht, oder aber es weiß, aber die Kollegen in der Bundesregierung falsch informiert, dann kann es nur eine Konsequenz geben, wenn das herauskommt: nämlich daß er sein Amt zur Verfügung stellt. Ich fordere das nicht – ich will hier nicht mißverstanden werden. Ich zähle nicht zu jener Kategorie der Abgeordneten, die mutwillig Rücktritte fordern, sondern ich schildere hier objektiv den Sachverhalt und meine, ein Mensch von Ehre würde wissen, was er zu tun hat.

Dazu kommt noch die Frage der politischen Verantwortung unter dem Aspekt, daß man einseitig zwischenstaatliche Sozialabkommen kündigt, und zwar mit dem vordergründig erkennbaren Ziel, sich im Einzelfall Beträge zwischen 20 und 40 Millionen Schilling bei den betroffenen Ländern auf dem Balkan zu ersparen. Man kann wohl kaum mit Verständnis bei Ländern rechnen, die wahrlich ganz andere Probleme haben als wir, bei Ländern, denen wir seit Jahren, seit das Problem dort existiert, über "Nachbar in Not" LKW-Kolonnen schicken, um die bitterste Not zu mildern. Solchen Ländern gegenüber kündigen wir gesamte Sozialabkommen!

Daß das darüber hinaus außerdem noch Implikationen hat wie Gleichheitswidrigkeit, wie das Anknüpfen an Staatsbürgerschaften in sozialen Fragen, die wir nicht nachvollziehen können, erwähne ich hier nur der Vollständigkeit halber. Aber vor dem Hintergrund dessen, was ich hier vorgetragen habe, sind das nur kleine Probleme. In Wirklichkeit stoßen wir Länder, die um Demokratie ringen müssen, in denen die Demokratie nicht in allem eine gesicherte Zukunft hat, auf die man frohen Herzens vorausblicken kann, mutwillig vor den Kopf.


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