Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 34. Sitzung / Seite 60

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Präsident Dr. Heinrich Neisser: Abgeordneter Wabl hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, bitte beginnen Sie mit der Behauptung, die Sie berichtigen wollen.

14.21

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Frau Kämpferin gegen die Gesetzesflut! Sie haben hier behauptet, daß ich diesen Bezug "angeblich" an einen Sozialfonds oder an karitative Organisationen oder an Bürgerinitiativen gespendet habe.

Ich berichtige: Ich habe vor zehn Jahren tatsächlich einen Antrag auf Reduzierung auf Null gestellt, habe dann öffentlich gemacht, daß diese Gelder an Umweltinitiativen, Bürgerinitiativen und sonstiges gehen. Es wird über jeden Schilling Aufzeichnung geführt. Das sind zirka 900 000 S.

Ich habe außerdem von meinem Abgeordnetengehalt 1,2 Millionen Schilling bezahlt – von meinem Abgeordnetenbezug! – an Bürgerinitiativen, an den Rechtshilfefonds. Das ist ungefähr soviel, wie die ganze FPÖ mit ihrem Sozialfonds zusammen. (Beifall bei den Grünen.)

Nehmen Sie das "angeblich" zurück, entschuldigen Sie sich, und stimmen Sie in Zukunft der Gesetzesflut nicht mehr zu. Das würde Ihnen gut anstehen! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

14.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Graf, jetzt sind Sie am Wort. – Bitte.

14.22

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Drehen wir das Rad der Geschichte um nicht einmal 100 Jahre zurück: Damals ist die Bevölkerung – und mit dieser identifizieren wir uns ja alle – massiv für das allgemeine Wahlrecht eingetreten. Ein Ergebnis des allgemeinen Wahlrechtes ist es ja letztlich, daß man – das hat heute auch Kollegin Ederer schon gesagt – im Parlament Vertreter aller Berufsschichten hat. Oder anders ausgedrückt: daß sich das Parlament so zusammensetzt, daß es einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung darstellt.

Gab es damals, gebunden an die Steuer oder an das Geschlecht, Wahlbeschränkungen, die Gott sei Dank gefallen sind, so hat sich das Bild bis heute gewandelt. Wie schaut es heute aus? – Nahezu 50 Prozent aller Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus kommen aus dem öffentlichen Dienst. Mir kann jedoch niemand einreden, daß 50 Prozent der Bevölkerung im öffentlichen Dienst tätig sind. Also der repräsentative Querschnitt ist keineswegs noch gegeben! Wenn man das Ganze etwas weiter spinnt und neben dem öffentlichen Dienst die Kammern, Sozialversicherungen, die Parteien oder andere Vorfeldorganisationen, Gewerkschaften et cetera, hernimmt, stellt man fest: Es sind ungefähr 75 Prozent der KollegInnen in diesem erweiterten öffentlichen Dienst tätig. Ich sage, daß das bereits ein Problem der demokratischen Willensbildung ebenfalls darstellt.

Warum ist die Situation so? – Es ist ja wirklich zu hinterfragen, wie es dazu kommt, daß tatsächlich nahezu 75 Prozent der Mandatare hier in diesem Haus oder in anderen gesetzgebenden Körperschaften in Österreich aus diesem Bereich kommen. Man muß feststellen, daß diese Bereiche eben massiv "verpolitisierte" Bereiche sind. Wir haben – und das muß man auch feststellen – ein "verpolitisiertes" Beamtentum. Das ist ein Grund dafür, daß sehr viele Beamte beziehungsweise öffentlich Bedienstete in Mandate drängen.

Wir haben aber auch eine fürchterliche Pragmatisierungspraxis – nicht vom Werdegang der Pragmatisierung her gesehen, sondern vom Ergebnis schlechthin. Es ist in unserer Gesellschaft zu hinterfragen – das muß man ganz einfach einmal tun, und man muß versuchen, Weichen zu stellen –, ob es wirklich noch zeitgemäß ist, daß ein Universitätsprofessor in Österreich Beamter sein muß, ob es zeitgemäß ist, daß ein Schauspieler Beamter sein muß, daß ein Bediensteter der Müllabfuhr beamtet wird, daß Richter Beamte sind, daß Primarärzte Beamte sind. Das ist zu


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