Barmüller war mein Konzipient. Am Tag davor hat er gesagt, was bei Konzipienten nicht ungewöhnlich ist: Morgen vormittag bin ich nicht da. – Das sagt man halt so zum Chef. Ich sagte: Ist recht. Ich habe mir gedacht: Er macht eine Erhebung, geht zu Gericht oder ähnliches. Er war dann, wie gesagt, nicht anwesend. Als ich hinunter auf die Straße gehe, um ins Parlament zu fahren, kommt meine Frau, und die fragt: Wohin gehst du denn? Darauf sage ich: Ins Parlament. Darauf fragt sie: Besuchst du deine halbe Fraktion? Drauf ich: Wieso? Darauf antwortet sie: Weißt du gar nicht, daß dein Konzipient gerade im Presseclub "Concordia" eine Pressekonferenz abhält und die Gründung einer neuen Partei bekanntgibt? – Das war mein Abschied von meinen beiden Freunden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Frischenschlager. ) Ich habe das bis jetzt niemandem erzählt, aber jetzt erzähle ich es halt. Ich bin in diese Richtung provoziert worden.
Ich traue beiden – und den meisten anderen Grünen und Liberalen auch – zu, daß sie erkennen, was sie für die Zukunft zu Lasten aller Oppositionsparteien anrichten mit dieser ihrer Zustimmung; mit dieser Zustimmung geben sie den Regierungsparteien Deckung, mit deren Hilfe sich diese die unangenehme Opposition vom Hals schaffen können. Mit dieser Zustimmung glauben sie, heute die Möglichkeit zu haben, uns zu schlagen. In Wahrheit treffen sie damit alle. Übrigens wird jetzt gleich die tatsächliche Berichtigung von Klara Motter kommen, daß sie weder meine Zimmerkollegin noch meine Konzipientin war. Ich bin gespannt darauf, was sie berichten wird. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)
Ich weiß schon, daß wir unangenehm waren mit unseren Sondersitzungen und mit den Dringlichen. Aber dafür, ob wir zu viele eingebracht haben, gibt es nur zwei Parameter: Der eine Parameter ist das Gesetz, und nach dem Gesetz durften wir sie einbringen. Der zweite Parameter ist die Entscheidung des Wählers. Und wenn wir wirklich über das Ziel geschossen haben sollten, dann wird uns der Wähler entsprechend bestrafen. Aber es ist nicht zulässig, daß wir von den beiden Regierungsparteien nur deswegen gemaßregelt und geschurigelt werden, weil wir ihnen auf die Nerven gegangen sind mit unseren dringlichen Anfragen und mit unseren Sondersitzungsanliegen, und daß dabei zwei der Oppositionsparteien aus blindem Haß gegenüber den Freiheitlichen, die einen oder die anderen von ihnen, aber vielleicht auch aus Kurzsichtigkeit, der eine oder andere von ihnen, zu diesem Unterfangen noch ihre Hand leihen.
Das Parlament ist mehr als das liebste Spielzeug der Opposition, was Klubobmann Khol der Tendenz nach behauptet hat. Das Parlament ist vielmehr das Feld der Opposition schlechthin. Die Regierung hat viel mehr, die Regierung hat alle Möglichkeiten: Die Regierung hat einen Riesenapparat, sie hat die Beamten, die Kammern, die Medien, die Wirtschaft. Die Regierung ist in jeder Hinsicht gut beschlagen.
Die Opposition hat nur das Parlament oder die Straße, wobei wir nicht hoffen wollen, daß der eine oder andere – nicht aus unserer Partei, sondern aus anderen Parteien – sich letzterer bedient. Wenn man aber der Opposition die parlamentarischen Rechte beschneidet, sie in dieser Möglichkeit, sich bemerkbar zu machen, einschränkt und etwa die Redezeit auf Minutendauer verkürzt, dann ist das ein Unterfangen, das der Hybris entstammt. Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß Sie von Hybris erfaßt sind. Bei den alten Griechen nannte man das Gefühl, alles tun und lassen zu können, Hybris. Aber die Hybris kommt immer vor dem Fall. Sie wird auch bei Ihnen vor dem Fall kommen! (Abg. Dr. Khol: Genau das ist euch widerfahren!)
Sie hätten sich nicht getraut, über eine geschlossene Opposition drüberzufahren. Sie haben die beiden kleinen Oppositionsparteien einkaufen müssen, und zwar mit ein paar kleinen Zuckerln, wie etwa daß ihnen je eine Sondersitzung des Nationalrates zusteht. Sonst hätten Sie sich das nicht leisten können! Die beiden großen Parteien haben eine Sünde gegen die Demokratie und gegen den Parlamentarismus begangen und die Oppositionsparteien – noch dazu die Opposition schlechthin – auf lange Zeit geschädigt. (Abg. Dr. Stummvoll: Ich weiß nicht, wer da noch gesündigt hat!) Und das wird, so fürchte ich jedenfalls, nicht zu reparieren sein.
Man soll während des Spieles die Spielregeln nicht ändern. Sie tun das ununterbrochen. Es ist ja noch gar nicht lang her, daß wir uns von diesem Rednerpult gegen die vorangegangene Geschäftsordnungsreform gewehrt haben, damals noch mit Hilfe anderer Oppositionsparteien.