Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 37. Sitzung / Seite 134

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Redebeitrag, Ihnen die Positionen und die Sichtweise der Kinder ein bißchen näherzubringen, weitab von den juristischen Belangen.

Ich war letzte Woche bei der Enquete des Familienministeriums, und auch dort hat sich gezeigt, wie vielfältig die Facetten der Gewalt und des Mißbrauchs sind, wie viele Gesichter Mißbrauch und Gewalt haben: Es gibt sexuellen Mißbrauch, es gibt körperlichen Mißbrauch, es gibt seelischen Mißbrauch. Und Mißbrauch hat mit Gewalt zu tun, meine Damen und Herren, einer Form von Gewalt, die für uns oft unvorstellbar ist. Es gibt Gewalt gegen Frauen, Gewalt gegen Kinder, Gewalt gegen Behinderte, Gewalt gegen Ausländer, Gewalt gegen Alte. Ich meine, daß viele Werte, Bestandteile unseres Lebens, durch diese Gewalttätigkeit in Frage gestellt werden, obwohl sie so wichtig, so lebensnotwendig vor allem für unsere Kinder sind. Denn sexueller Mißbrauch, sexuelle Gewalt gegen Kinder bedeuten Verlust, nämlich den Verlust der Bereitschaft zu Liebe, Zärtlichkeit, Zuwendung, Sicherheit, Wohlbefinden und Vertrauen. All das wird den Kindern genommen, und es ist sehr schwierig, diese Bereitschaft wiederzuerlangen.

Ein Problem, das unter anderen auf der Enquete aufgezeigt wurde, war, daß die Grenzziehung zwischen Zärtlichkeit und Mißbrauch sehr, sehr schwierig ist und ungerechtfertigten Anklagen oft auch Tor und Tür geöffnet werden kann. Ich glaube – und ich bin überzeugt davon –, daß es um Schutz, um Hilfe und um Aufklärung geht.

Was mir auch sehr wichtig ist: Es geht darum, daß unsere Kinder nein sagen dürfen, daß dieses Nein akzeptiert und respektiert wird, auch wenn das für Erziehungsberechtigte oft sehr schwierig ist. Kinder müssen nein sagen dürfen und können und müssen das auch lernen.

Noch etwas, meine Damen und Herren: Mißbrauch und Gewalt haben auch etwas mit Machtpositionen zu tun, mit Abhängigkeit und auch mit Unterdrückung. Deshalb kommt es auch so oft zu den vielzitierten Stillhalteabkommen zwischen Kindern und Erwachsenen, zwischen Tätern und Erwachsenen, weil es eben auch eine Machtfrage ist.

Meine Damen und Herren! Das ist meine politische Meinung, das ist Expertenmeinung: Höhere Strafen schützen nicht unbedingt vor Mißbrauch. Der höhere Strafrahmen schützt nicht, obwohl er unserem Gerechtigkeitssinn entsprechen würde. Wichtig sind vielmehr Schutz, Hilfe und Therapie, vor allem für die Opfer, Opferschutz, so wie ihn Professor Dr. Max Friedrich in allen Facetten vorschlägt, von der Verkürzung des Verfahrens bis zur Einvernahme mittels Videokamera, wobei die technischen Ausrüstungen und Einrichtungen verbessert werden müssen, bis zur Ausbildung der Kriminalbeamtinnen. Das wäre eine Fülle von Maßnahmen für die betroffenen Kinder, damit sie weiterhin geschützt werden und bleiben. Denn darum geht es, meine Damen und Herren.

Eindeutig sagen alle Experten, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, daß die Wiedereinführung der Anzeigepflicht fatal wäre. Denn gerade jene Person, der ich wieder vertrauen kann, der ich Vertrauen schenke, würde dann dieses mein Vertrauen wiederum mißbrauchen. Es geht darum, daß mißbrauchte Kinder nicht noch einmal mißbraucht werden. Ich meine, die Ausnahme von der Anzeigepflicht für diesen bestimmten Personenkreis muß weiterhin aufrechterhalten bleiben.

Meine Damen und Herren! Was mir sehr wichtig ist, ist der Schutz mißbrauchter Kinder, diese Anonymität, der Schutz vor Öffentlichkeit. Es darf nicht mehr vorkommen, daß in einer Radiosendung eine Reporterin fragt: Weißt du, daß dein Großvater auch dein Papa ist? – Das ist wirklich Mißbrauch des mißbrauchten Kindes. Auch da muß es Konsequenzen geben. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP, der Grünen und des Liberalen Forums.)

Zwei Dinge vielleicht noch zu dieser Thematik. Die Realität des Mißbrauchs wird Kindern erst dann bewußt, wenn sie bewußt gemacht wird, wenn mißbrauchte Kinder Mißbrauch beim Namen nennen können. Und das können sie nur mit Hilfe von hervorragenden Therapeuten und Therapeutinnen.

Meine Redezeit ist bald zu Ende. Kurz noch zum Thema Opfer, da uns Sozialdemokraten diesbezüglich ja manches unterstellt wird. Meine Damen und Herren! Wenn wir nicht mit den


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