Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 40. Sitzung / Seite 36

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Ich muß daher sagen: Sie machen hier absichtlich etwas, was den Rechtsstaat aushöhlt. Sie rufen den Bürgern vom Rednerpult aus und über die Medien zu: Es steht zwar der 1. Oktober im Gesetz, aber ihr braucht euch nicht daran zu halten, denn wir werden demnächst den 1. November beschließen. Also überlegen Sie sich einmal, was das für die Rechtssicherheit heißt, wenn in einer Republik wie unserer als Stilelement einreißt, daß die Rechtsordnung durch Zuruf über Medien vorübergehend sistiert wird. (Beifall beim Liberalen Forum).

Weitere Verfassungswidrigkeit: enteignender Charakter des Gesetzes. Wir haben bisher nur eine Form gehabt, jetzt haben wir zwei Formen. Bisher wurde über die Bemessungsgrundlage hinausgehend nicht refundiert. Das haben wir jetzt ein bißchen umgebaut, jetzt haben wir zwei Typen. Wir haben den Typus: über der Bemessungsgrundlage, und es wird nicht refundiert, wenn die dienstgeberähnlichen Beiträge über die Bemessungsgrundlage laufen. Sie werden weiterhin enteignet. Denn eigentlich müßten sie zurückgezahlt werden, das weiß jeder. Sie werden jetzt den Lehrlingen gewidmet, das heißt, einer positiven Verwendung zugeführt, und daher heißt es, die Enteignung sei nicht gar so schlimm.

Ich sage Ihnen: Unrecht Gut gedeiht nicht. Enteignetes Geld wird nicht dadurch besseres Geld, daß Sie es einem guten Zweck zuführen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Enteignender Charakter Typus 2: über der Bemessungsgrundlage bei der vorläufigen Bemessung. Da haben Sie sich etwas einfallen lassen, das ist großartig. Der Werkvertragnehmer hat ein unregelmäßiges Einkommen, das haben Sie auch schon bemerkt. Das heißt, wenn man ihn vereinfacht administrieren will, verlangt man ihm ab, daß er einen monatlichen Durchschnitt bildet. Das ist die sogenannte vorläufige allgemeine Beitragsgrundlage. Wenn er schätzt, er wird 12 000 S im Monat verdienen, dann wird daraufhin von den 12 000 S die Sozialversicherung berechnet und abgeführt. Was ist aber, wenn sich am Ende der Referenzperiode herausstellt, daß es nur 9 000 S waren? – Sie haben erkannt, daß das natürlich schlecht wäre, denn dann müßten Sie vielleicht etwas zurückgeben. Daher haben Sie in das Gesetz hineingeschrieben: Wenn die vorläufige Beitragsgrundlage höher ist als die berechnete endgültige Beitragsgrundlage, dann gilt die vorläufige Beitragsgrundlage als endgültige Beitragsgrundlage.

Mit anderen Worten: Wenn sich jemand zu seinen Ungunsten irrt, dann hat er Pech gehabt, dann hat er für 12 000 S bezahlt, obwohl er nur für 9 000 S bezahlen hätte müssen. (Abg. Dr. Feurstein: Aber nur in einem bestimmten Fall!) Im umgekehrten Fall, wenn er 9 000 S schätzt und es stellt sich nachher heraus, es sind 12 000 S, sind Sie selbstverständlich der Meinung, daß er nachzahlen muß. – Der zweite Teil ist noch plausibel, der erste Teil ist ein neuer Typus von Enteignung. Und ich sage Ihnen: Das ist ein weiterer Grund für eine Verfassungsanfechtung.

Diese Verfassungsanfechtung wäre ganz simpel formuliert. Man müßte nämlich nur sämtliche Grundrechte, die es gibt, als verletzt aufzählen und den Verfassungsgerichtshof höflich um Entschuldigung bitten, daß man vielleicht eines überflüssigerweise mit hineingenommen hat. (Abg. Dr. Kostelka: Aber das ist noch keine Anfechtung! Die Aufzählung von Grundrechten ist noch keine Anfechtung!) Herr Kollege Kostelka! Sie mögen darüber lachen, aber ich finde es deshalb nicht lustig, weil hier an der Rechtsordnung gerüttelt wird, und zwar ausschließlich zu dem Zweck, um den Kitt der Koalition nicht zu beschädigen – und das ist kein guter Grund. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Vor dem Hintergrund dieser Monströsitäten im rechtsstaatlichen Sinn ist es gar kein Wunder, daß Sie auch mit Datenschutz und ähnlichen Dingen überhaupt nichts am Hut haben. Frau Kollegin Reitsamer hat gesagt, die Meldungen auf Verdacht müßten jetzt nicht mehr stattfinden. – Das ist ganz logisch, Sie haben sie nämlich durch einen neuen Meldungsmechanismus der eigenen Art ersetzt. Es muß nämlich jedes einschlägige Vertragsverhältnis über 3 600 S den Abgabenbehörden gemeldet werden. – So weit, so gut, Kontrollmitteilungen zur Vorbeugung gegen Steuerhinterziehung; alles muß gemeldet werden.

Dann gibt es aber einen eigenen Paragraphen, den Sie heute beschließen werden – ich nehme nicht an, daß Sie ihn noch ändern werden, wir haben uns im Ausschuß redlich bemüht und sind


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