Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 40. Sitzung / Seite 55

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Regelung zustimmen konnten, macht mich fassungslos. Da muß ich sagen: Wer von uns beiden ist jetzt ein sozial eingestellter Mensch – Sie oder ich?

Das dritte, meine Damen und Herren, ist, daß Sie sich so nonchalant über Verfassungsbedenken hinwegsetzen, die nicht irgendwer in diesem Land geäußert hat. Es sind diese Bedenken massiv von zahlreichen, unterschiedlichen politischen Lagern zuzurechnenden – wenn man das überhaupt tun darf; man sollte es sicherlich nicht tun – Experten gekommen. Sie aber tragen diesen Warnungen keineswegs Rechnung, Sie sind nicht bereit, zumindest zu sagen: Bitte schön, hier gibt es nach unserem Dafürhalten wirklich ernstzunehmende Bedenken, lassen wir den Verfassungsgerichtshof darüber befinden.

Denken Sie doch nur daran, wie viele Individualklagen Sie vermeiden könnten, welchen unsinnigen Bürokratieaufwand, welche Geldverschwendung Sie diesem Land ersparen könnten allein dadurch, daß Sie von vornherein durch das letztinstanzliche Gremium klären lassen, ob das, was Sie beschließen wollen oder beschlossen haben, auch verfassungskonform ist.

Es wird Ihnen, meine Damen und Herren von der ÖVP, doch kein Stein aus der Krone fallen, und außerdem wird die Wahrheit ohnehin unweigerlich ans Licht kommen. Ob das durch diese Anfrage geschieht oder durch gerichtliche Beschlüsse nach Monaten und nach Jahren und nach Millionen verschwendeter Steuermittel, das müßte Ihnen doch egal sein. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich appelliere daher noch einmal – insbesondere an Sie, Herr Generalsekretär Stummvoll, und an Ihren Chef, den Herrn Präsidenten Maderthaner –: Überlegen Sie noch einmal, ob Sie die Vorstellung, daß man den Verfassungsgerichtshof mit diesen Bedenken konfrontiert, unterstützen. Ich glaube, es würde Sie auszeichnen.

Ganz zum Schluß, Herr Stummvoll – weil Sie sich immer darauf berufen, daß Sie nicht polemisch seien und nur versuchten, die Sachlichkeit in den Diskussionen immer in den Vordergrund zu stellen –: Es ist eben ein großes Problem, wenn Sie versuchen, es so darzustellen, als hätte das Liberale Forum diesen Unsinn beschlossen. Und wenn Sie uns jetzt vorwerfen, wir seien schuld: Wer soll Ihnen denn das glauben? Herr Stummvoll, das ist eine Wahlkampfaussage, das kann doch nicht Ihr Ernst sein!

Das Recht auf zivilen Widerstand, das doch jeder Bürger hat, müssen Sie doch auch Ihren Mitgliedern – bedauerlicherweise noch immer Zwangsmitgliedern – zugestehen, Herr Stummvoll, das ist doch ein Grundrecht! Ich muß doch zivilen Widerstand gegen eine Regelung leisten können, die ich als unsinnig erkenne und von der ich unmittelbar und nachhaltig betroffen bin! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Stummvoll, es ist uns genauso bewußt wie Ihnen, daß große Lösungen und grundlegende Reformen neben vielen anderen selbstverständlichen Voraussetzungen Zeit, Überzeugungskraft und Fachkenntnis brauchen. Was wir so bedauern, und wir kommen ja heute um 15 Uhr noch dazu, ist, daß Sie zwar grundsätzlich immer die Notwendigkeit grundlegender Änderungen einsehen, daß Sie es auch zugeben, daß Sie auch sagen: Jawohl, wir brauchen eine Reform!, wie das auch der Herr Bundesminister schon mehrfach gesagt hat, daß Sie es aber immer verschieben, verschieben, verschieben, und daß Sie sich nicht einmal dazu bereit erklären, auch gegen den inneren Widerstand in Ihren eigenen Reihen die notwendigen schmerzhaften Korrekturen bei Ihrer eigenen betroffenen Klientel vorzunehmen, um endlich den Weg einer Gesundung zu beschreiten.

Das ist nicht nur bei der Werkvertragsregelung so, das ist bei jeder anderen großen Reform auch so. Diese Republik hat seit der Steuerreform nichts Nennenswertes, Grundlegendes mehr geändert, aber die Wirtschaft macht schnelle Fortschritte – das wissen Sie, Herr Stummvoll –, und diese Fortschritte lassen es nicht zu, daß wir uns zurücklehnen und sagen: Heute ist es noch nicht soweit. Es ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, aber ich sage Ihnen, dieser Schritt ist viel zu klein, er ist viel zu langsam, und bedauerlicherweise ist es in diesem Fall auch ein Schritt in die falsche Richtung. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.17


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