Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 44. Sitzung / Seite 36

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Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Eines muß man Kollegen Böhacker schon konzedieren: Er hat Berechenbarkeit gezeigt, nämlich in seiner totalen Unfähigkeit, sich mit einer wissenschaftlichen Studie auseinanderzusetzen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. ) Statt Argumenten haben wir hier wirklich nur Polemik gehört.

Ich möchte auf diesen Stil nicht weiter eingehen. Wir haben uns vorgenommen, daß meine Kollegen auf Einzelbereiche dieses Verteilungsberichtes Bezug nehmen werden. Ich möchte mich daher auf einige politische Schlußfolgerungen konzentrieren.

Erster Punkt: Ich meine, dieser Verteilungsbericht zeigt, daß es insgesamt in Österreich eine wirksame Hilfe für die unteren Einkommen gibt. Die Umverteilung in diesem Land ist selbstverständlich begrenzt, aber sie ist eben wirkungsvoll.

Zweiter Punkt: Diese Umverteilung erfolgt im wesentlichen über die Ausgabenseite und nicht über die Einnahmenseite des öffentlichen Sektors, und das heißt natürlich, eine Konsolidierungspolitik, die sich etwa nur auf die Ausgabenseite konzentrieren würde, hätte notwendigerweise negative Wirkungen für die unteren Einkommen. Daher ist es ja auch richtig, daß das Konsolidierungspaket, wie wir es beschlossen haben, so angelegt ist, daß es eben beide Seiten – sowohl die Ausgabenseite wie auch die Einnahmenseite – umfaßt.

Dritter Punkt: Wenn man sich die Steuerseite im einzelnen ansieht, so haben wir hier negative Verteilungswirkungen der indirekten Steuern und der Sozialversicherungsbeiträge, die durch den Effekt der progressiven Einkommensbesteuerung und der Kapitalertragsteuer eben nur knapp ausgeglichen werden. Und das, Herr Kollege Böhacker, ist es, was Dr. Guger mit dem Zitat gemeint hat, das Sie angesprochen haben.

Man muß hier deutlich sagen: Das ist eine Entwicklung, auf die wir achtgeben müssen, denn es gibt natürlich so etwas wie einen internationalen Steuerwettbewerb, der dazu führt, daß die mobilsten Faktoren, etwa der Faktor Kapital, zu Lasten des weniger mobilen Faktors Arbeit begünstigt werden und daher eine immer größere Steuerlast auf den Faktor Arbeit fällt. Es ist erst vor kurzem von Kommissar Monti von der EU-Kommission eine Studie vorgestellt worden, die zeigt, daß sich zwischen 1980 und 1994 innerhalb der EU die Last der Abgaben auf Arbeit von 34,7 auf 40,5 Prozent der Lohnsumme erhöht hat, während die Belastung des Faktors Kapital von 44,1 auf 35,2 Prozent gesunken ist.

Das bedeutet, daß wir hier eine Auseinanderentwicklung haben, und der wichtigste Weg, dem zu begegnen, sind Formen der internationalen Koordinierung, das heißt, Steuerkoordinierung statt eines wirklich schädlichen Steuerwettbewerbs. Ich denke, das ist eines der wichtigsten Anliegen, das wir in der EU zu verwirklichen haben, und ich würde auch meinen, ein Anliegen, das unmittelbar mit der Europäischen Währungsunion zu verknüpfen ist.

Nächster Punkt: Wenn wir die Ausgabenseite betrachten, so meine ich, ist es sicherlich so, daß man dort differenzieren muß. Es gibt Ausgabenbereiche, die vor allem den unteren Einkommen zugute kommen – etwa der gesamte Bereich der Sozialausgaben –, und es gibt Ausgabenbereiche, die überwiegend oder zu einem erheblichen Teil höheren Einkommen zugute kommen. Und ich glaube, das ist der Bereich, in dem es auch tatsächlich sinnvoll ist, soziale Differenzierungen vorzunehmen.

Alles in allem, meine sehr geehrten Damen und Herren, zeigt dieser Verteilungsbericht, daß wir in Österreich ein System haben, in dem der öffentliche Sektor im Sinne einer Sicherung der unteren Einkommen, im Sinne einer Sicherung der Schwachen und auch im Sinne einer Sicherung gegen die Wechselfälle des Lebens funktioniert. Ich glaube, in diesem Sinne sollten wir diesen Verteilungsbericht als einen Anstoß sehen, genau diese Aufgaben eines funktionierenden Sozialstaates auch in Zukunft weiterzuführen. (Beifall bei der SPÖ.)

10.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. Er hat das Wort. – Auch wenn die Vorbereitung noch nicht abgeschlossen ist, Sie sind am Wort.


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