Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 44. Sitzung / Seite 41

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

uns zur sozialen Solidarität im Sinne des Ordnungsmodells der sozialen Marktwirtschaft. Für uns heißt soziale Solidarität, daß die Leistungsstarken sozial und solidarisch jenen helfen, die sozial schwach und aufgrund eigener Kraft nicht in der Lage sind, sich einen entsprechenden Lebensunterhalt zu verschaffen. – Das ist soziale Solidarität.

Meine Damen und Herren! Ich möchte aber eine sehr deutliche Grenze ziehen zwischen sozialer Solidarität im Sinne der sozialen Marktwirtschaft – soziale Solidarität ist ein integraler Bestandteil dieses Ordnungsmodells – und Umverteilungspolitik als Instrument marxistischer Sozialphilosophie und sozialistischer Gesellschaftspolitik, wonach es einfach darum geht, dem einzelnen möglichst viel wegzunehmen, um eine möglichst große Umverteilungsmasse zu haben.

Dazu muß man sehr deutlich sagen: Es geht hier um eine eminent gesellschaftspolitische Fragestellung, nämlich um die Fragestellung: Wie groß soll der Entscheidungsspielraum des einzelnen hinsichtlich der Verwendung seines Arbeitseinkommens sein? Soll der einzelne einen möglichst großen Entscheidungsspielraum haben, wie er sein Arbeitseinkommen verwendet, oder soll ihm die Gesellschaft, der Staat durch Abgaben, Beiträge und Steuern möglichst viel wegnehmen, um möglichst viel umverteilen zu können?

Meine Damen und Herren! Wir von der Volkspartei erteilen der Umverteilungspolitik à la Marx eine klare Absage, aber wir sagen ein klares Ja zur sozialen Solidarität im Sinne der sozialen Marktwirtschaft. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, man muß in diesem Zusammenhang auch eines sehr deutlich sagen, und ich bekenne mich dazu: Man kann soziale Bedürfnisse nicht ein für allemal festlegen. Die sozialen Bedürfnisse wandeln sich ständig als Konsequenz der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, technischen Entwicklung. Wenn man aber sagt, soziale Bedürfnisse lassen sich nicht ein für allemal festlegen, dann hat das zwei Konsequenzen:

Erste Konsequenz – und ich sage das jetzt sehr deutlich –: Man kann nie einen Sozialstopp ausrufen, weil immer wieder neue soziale Bedürfnisse entstehen.

Die zweite Konsequenz ist aber: Es dürfen einmal eingeführte soziale Leistungen nicht für alle Zeiten tabu sein, sondern man muß diese ständig den sozialen Bedürfnissen anpassen, man muß den Sozialstaat umbauen, und es ist meines Erachtens eine der ganz großen Herausforderungen für unsere Generation, dieses System der sozialen Sicherheit langfristig abzusichern.

Meine Damen und Herren! Bei aller Notwendigkeit, eine Umverteilungsdiskussion zu führen, sei eines auch sehr deutlich gesagt: Für mich hat immer noch die Beschäftigungspolitik Vorrang, und wir müssen sehr achtgeben, daß der Standort Österreich arbeitsplatzmäßig abgesichert wird. Ich will keinen Zustand haben, bei dem wir zwar ein schönes Sozialsystem auf dem Papier haben, aber keine Arbeitsplätze mehr, um dieses Sozialsystem zu finanzieren. – Auch das muß man einmal, glaube ich, sehr deutlich sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wenn wir diese Aufgabenstellung umfassend sehen, nämlich im Spannungsverhältnis zwischen Beschäftigungspolitik und Standortsicherung einerseits und Umverteilung oder sozialer Solidarität andererseits, so haben wir daneben auch noch andere Spannungsverhältnisse: das Spannungsverhältnis zwischen Eigenverantwortung und Bevormundung, das Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und sozialer Sicherheit.

Ich möchte im Sinne der freiwilligen Redezeitbeschränkung vielleicht nur drei Standpunkte hier erwähnen – man könnte sehr lange darüber diskutieren –, drei Grundpositionen für meine Partei klarstellen.

Erste Position: Für uns sind persönliche Freiheit und soziale Sicherheit gleichrangige Werte. Da gibt es keine Über- oder Unterordnung, sie müssen einander ergänzen. Wir wollen beide Elemente als Grundwerte unserer Gesellschaft haben: persönliche Freiheit und soziale Sicherheit. (Beifall bei der ÖVP.)


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite