Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 49. Sitzung / Seite 198

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Sehr geehrte Damen und Herren! Das österreichische Gesundheitswesen steht am Anfang einer Phase wichtiger Veränderungen, die wesentlich weitreichender und einschneidender sein werden, als es die heute hier diskutierten Fragen sind.

Eine Analyse der Situation unseres Gesundheitswesens und ein Blick auf die Entwicklungen in anderen Industrieländern zeigen, daß uns einerseits die Frage der Kosten und damit die Finanzierung der Versorgung und andererseits die Frage der Qualität der Leistungen in den kommenden Jahren ganz intensiv beschäftigen werden. Dabei sind die Probleme, deren Lösung nun ansteht, zu einem großen Teil auf die Erfolge der Medizin und der Sozialpolitik in den letzten Jahrzehnten zurückzuführen.

Die Verlängerung der Lebenserwartung, die Verschiebung des epidemiologischen Spektrums von den akuten Infektionskrankheiten zu den chronisch degenerativen Erkrankungen und die fast unbegreiflich rasche Entwicklung von immer neueren bahnbrechenden Verfahren in der Medizin stellen uns vor die Frage, wie wir die Finanzierung der Versorgung weiterhin gewährleisten können.

Meine Damen und Herren! Bei der Beantwortung dieser Frage darf man sich aus Angst vor den damit einhergehenden Diskussionen nicht vor einer Beschäftigung mit diesem Thema und einer Lösung der Problematik drücken.

Es ist die wesentlichste und unverrückbare Priorität, alles zu unternehmen, um auch weiterhin eine optimale medizinische Versorgung aller Menschen in diesem Land zu ermöglichen. Wir dürfen es nicht zulassen, daß die Situation eintritt, daß Menschen von notwendiger medizinischer Versorgung ausgeschlossen werden. Um dieses Ziel zu erreichen und damit auch die Grundlagen unseres Gesundheitssystems zu erhalten, sind allerdings Veränderungen notwendig.

Die von mir vorhin beschriebenen Entwicklungen und die Budgetknappheit der öffentlichen Haushalte zwingen uns in den nächsten Jahren, weitreichende strukturelle Reformen vorzunehmen. Dabei haben wir grundsätzlich zwei Wahlmöglichkeiten: die Rationierung von Leistungen und damit den Ausschluß von Personen oder Personengruppen von notwendiger medizinischer Versorgung sowie die Rationalisierung, also die Suche nach Möglichkeiten, die vorhandenen Mittel optimaler einzusetzen.

Für mich ist unzweifelhaft klar, daß die Lösung nur im zweiten Weg, in der Rationalisierung, also im effizienteren Einsatz der knappen Mittel liegen kann.

Die Erkenntnisse der Forschung auf dem Gebiet der Gesundheitsökonomie bestätigen die Berichte vieler Ärzte und Manager im Gesundheitsbereich dahin gehend, daß ein beachtlicher Teil der jetzt schon erbrachten Leistungen überdacht und eingespart werden könnte, ohne daß es dadurch zu einer Verschlechterung der Betreuung der Patienten kommen muß. Dieses Thema muß in Zukunft unsere uneingeschränkte Aufmerksamkeit erhalten.

Dazu kommt die Frage der Prävention und der Vorsorgemedizin. Wir wissen, daß heute beinahe 45 Prozent aller Todesfälle auf das Konto von Erkrankungen gehen, deren Ursachen im Verhalten und in der Lebensweise der Betroffenen liegen. Rauchen, ungesunde Ernährung und Mangel an körperlicher Betätigung sind nicht die einzigen, aber die wesentliche Ursachen. Dieses potentiell vermeidbare "Sterben vor der Zeit" zu verhindern, sollte eines unserer wichtigsten Anliegen sein.

Darüber hinaus haben wir uns die Frage des Stellenwertes der stationären Versorgung im Verhältnis zur Versorgung durch die niedergelassenen Ärzte zu stellen. Wir wissen, daß in Österreich – im Vergleich mit anderen Ländern – wesentlich mehr Leistungen im Krankenhaus erbracht werden. Wir werden uns die Frage stellen müssen, wie wir eine bessere Aufteilung zwischen diesen beiden Versorgungsebenen finden können.

Diese und ähnliche Fragen stehen zur Diskussion. Es wird meine und unser aller Aufgabe in den nächsten Jahren sein, sie zu lösen.


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