Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 51. Sitzung / Seite 20

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Zu dieser Kritikfähigkeit, dieser Denkfähigkeit, dieser Auseinandersetzungsfähigkeit die Menschen zu erziehen, das sollte dieses Parlament beschließen, aber nicht ominöse Aufklärungsbroschüren herausgeben, deren Kriterien mehr als zu hinterfragen sind (Beifall beim Liberalen Forum) und die überdies von einer Selbstgerechtigkeit der christlichen Kultur getragen sind. Das wird spürbar, wenn man sagt, daß es verdächtig ist, wenn etwas von draußen kommt, also fremd ist und daher nicht vermittelbar. Hier kommt zum Ausdruck, wie man jahrhundertelang auch mit christlichen Religionen umgegangen ist. Vergessen Sie nicht, daß auch diese 300 Jahre lang oder länger als Sekten bezeichnet wurden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte sehr.

10.43

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann der Frau Abgeordneten Schmidt schon beipflichten, wenn sie Unbehagen über diese Debatte äußert. Bisher waren viele der Debattenbeiträge tatsächlich dazu angetan, dieses Unbehagen zu verstärken. Ich glaube auch, daß es nicht dienlich ist, sich in einer Auseinandersetzung über Sekten und destruktive Kulte nur deswegen auf die Schulter zu klopfen, weil man eine Broschüre herausgegeben hat. Sie haben eine Broschüre herausgegeben, in der – worauf Sie, Frau Dr. Schmidt, auch hingewiesen haben – nachweislich auch Kriterien enthalten sind, die selbstverständlich nicht nur auf Sekten und destruktive Kulte anwendbar sind, sondern auch auf sehr viele andere Gruppierungen in dieser Gesellschaft. Wir müßten uns also fragen, welch ein Kriterienkatalog das ist. Man wird aber auch fragen müssen, worauf es bei der Auseinandersetzung mit Sekten ankommt.

Wenn Sie mir, Frau Abgeordnete Dr. Schmidt, vorwerfen, daß ich die Religionspolizei eingefordert habe, dann kann ich Ihnen nur sagen, das war in einer ganz konkreten Auseinandersetzung, in einer ganz konkreten Situation, und dazu stehe ich auch. Es geht nicht darum, eine Religionspolizei in Österreich zu erhalten, mit der allen Sekten und destruktiven Kulten nachgeschnüffelt wird. Es geht nicht darum, sozusagen über Kriterien diese Sekten und destruktiven Kulte zu erfassen, aber es geht sehr wohl in der Auseinandersetzung über Sekten und destruktive Kulte, vor allem über letztere, auch darum, sich klarzumachen, daß es bestimmte Gruppierungen gibt, die in ihrer Einflußnahme auf staatliche, auf gesellschaftliche Institutionen und Gruppierungen schon sehr weit gehen.

Es geht nicht nur darum, daß es das Recht auf Religionsfreiheit gibt und auch weiterhin geben soll, sondern es geht auch darum, den einzelnen vor Übergriffen bestimmter Kulte zu schützen, vor Übergriffen, die dann in der Folge, wenn Menschen zu Opfern geworden sind, dem Staat Beschäftigung geben. Das heißt, den Personen, die dann aus diesen Religionsgemeinschaften, aus diesen Kulten herausfallen, die von ihnen verfolgt werden, auch eine entsprechende Stütze zu bieten, dazu ist der Staat mehr als bisher aufgerufen. Es geht darum, tatsächlich Hilfen zu entwickeln, nicht nur mit einigen hunderttausend oder Millionen Schilling eine Sektenberatungsstelle für ganz Österreich zu finanzieren, die natürlich mit dem Aufwand, den sie treiben kann, völlig überfordert ist.

Ich glaube, der Staat ist tatsächlich gefordert, aber nicht in dem Sinn, Schnüffelpolizei zu spielen. Es gibt Religionsgesetze hier in Österreich, die aus dem 19. Jahrhundert stammen, aus einem Jahrhundert, in dem es das Phänomen dieser modernen destruktiven Kulte und Sekten noch gar nicht gab. Daher wären wir eigentlich aufgefordert, auch unsere Gesetze, unser Verhältnis zu Religionen zu überprüfen. Es haben alle Angst, daß unter Umständen dabei etwas herauskommen könnte, das auch Unruhe und Ärger schaffen könnte, nicht nur bei den kleinen Gruppierungen, sondern auch bei größeren Gruppierungen, daß eine Auseinandersetzung über Religionen auftauchen könnte, die uns herausfordern müßte und eigentlich sollte. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es kann nicht angehen – sosehr ich die Arbeit der kirchlichen Sektenberatungsstellen schätze –, daß der Staat diese Aufgabe an die Großkirchen abgibt. Ich habe das schon einmal dargestellt. Das wäre so, als überprüfte Coca-Cola die Re


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