Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 51. Sitzung / Seite 116

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17.02

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Im Gegensatz zu meiner Vorrednerin bedauere ich es, daß wir heute in Form einer Dringlichen Anfrage diese gesellschaftspolitisch schwerwiegende Problematik diskutieren, weil wir uns dadurch natürlich in einem vorgegebenen zeitlichen Korsett befinden und eigentlich jeder von uns immer nur einige Details aufzeigen kann.

Ich meine, unbestritten ist, daß wir in Österreich nicht das Thema absolute Armut behandeln, sondern jenen minimalen Lebensstandard, der als relative Armut definiert wird. Aber ich frage Sie, meine Damen und Herren: Was ist eine reiche Gesellschaft, die wir in Österreich zweifelsohne sind, bereit, überhaupt als Armut anzuerkennen? Ist es ein Mensch, der ein Erwerbseinkommen von 37 000 S gehabt hat ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie vergessen das hohe Budgetdefizit, die Staatsschuld!) – Hören Sie doch einmal zu, bevor Sie da irgend etwas dazwischenrufen!

Ist "arm" jemand, der 37 000 S verdient hat, als er erwerbstätig war, aber aufgrund von Arbeitslosigkeit jetzt nur mehr ein Drittel dieses Einkommens bezieht? Oder ist es die Akkordarbeiterin, die durch Vollzeitarbeit – nämlich jeden Tag acht Stunden am Akkordband stehend – auch gerade diese 12 000 S bekommt?

Zweifelsohne kann die Frage der Armut nicht anhand einer bestimmten Einkommensgröße definiert werden, weil die Armut und die Frage der Armut mit vielen anderen Randproblemen zusammenhängt, wie zum Beispiel Zahlungsverpflichtungen, Verschuldungen, Bildungszugang und anderes mehr.

Kollege Öllinger hat heute anhand von ein paar "Wissen Sie, wie?"-Fragen versucht, exemplarisch einige Beispiele aufzuzeigen. Ich würde sagen, die Armut hat viele Gesichter. Kollege Kier hat es heute zwar nicht erwähnt, aber eine der Ideen des Liberalen Forums ist ja die Grundeinkommensdiskussion, die Grünen hingegen haben die Idee einer Grundpension. Beide Modelle zeigen, daß auch sie vor Armut nicht schützen können, daß sie also nicht armutsvermeidend sind. Die Armutsbekämpfung kann nur unter dem Aspekt erfolgen, daß Armut eben viele Gesichter hat. Daher erfordert sie auch viele Maßnahmen, viele unterschiedliche Maßnahmen.

Ich denke etwa an den ganzen Komplex Gleichbehandlung, wozu auch hier im Hohen Haus sehr unterschiedliche Ansatzpunkte vorhanden sind. Ich denke an die Frage der Absicherung atypischer oder prekärer Arbeitsverhältnisse, Herr Kollege, wie Sie sie in Ihrer Anfrage genannt haben. Und ich sage noch einmal: Die Werkverträge waren ein erster Schritt dorthin, und ich bedauere sehr, daß die Grünen da eine andere Einstellung gehabt haben.

Wir geben jetzt zumindest Impulse für die Kinderbetreuung in der Form, daß wir zusammen mit den EU-Mitteln doch eine Milliarde Schilling dafür zur Verfügung stellen können.

Übrigens – die Frau Kollegin Petrovic ist jetzt leider nicht im Saal –: Daß Betreuungspflichten kein Vermittlungshindernis mehr darstellen, das bedauere ich genauso wie die Frau Kollegin Petrovic, nur ist es nicht die politische Willensbildung dieses Hauses, sondern es war ein Verwaltungsgerichtshofurteil, das darauf hinausgelaufen ist. (Abg. Öllinger: Die Verfügbarkeit ist eine Willensbildung dieses Hauses!) Aber nicht in diesem speziellen Fall.

Ich denke auch an Maßnahmen gegen die Gewalt, die auch mit Armut zu tun hat, Maßnahmen, die wir hier in diesem Haus erst vor kurzem behandelt haben. Ich denke an die Diskussion über die Studie der Frau Bundesministerin Konrad, die gestern verschiedene Modelle hinsichtlich der Altersversorgung vorgestellt hat. Ich denke auch daran, daß man immer heftiger darüber diskutieren wird müssen, wie man nicht marktfähige Arbeit in Zukunft marktfähig macht.

Abschließend, weil die Verordnung des Grazer Gemeinderates hier angesprochen worden ist: Ich nehme das nicht so leicht. Ich weiß nicht, ob ich, würde ich dort sitzen, zu jenen SPÖ-Abgeordneten zählen würde, die dann nach langer Diskussion dafür oder dagegen gestimmt haben. Wir bekämpfen Kinderarmut international, und Kinderbettelarbeit ist auch Kinderarbeit! Daher müssen wir auch diese in irgendeiner Form bekämpfen.


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