Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 53. Sitzung / Seite 187

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21.20

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ellmauer! Es handelt sich jetzt nicht um die Entscheidung der Frauen, entweder Kinder und Familie oder einen Beruf zu haben, sondern es geht für die Frauen darum, Kinder, Familie und Beruf vereinen zu können. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum zweiten: Wenn sie sich beklagen, daß wir hinsichtlich der steuerlichen Berücksichtigung der Familie an letzter Stelle in Europa liegen, dann muß man andererseits doch sehen, daß Transferleistungen und Sachleistungen in Österreich sehr umfangreich und ein wesentlicher Beitrag für unsere Familien sind.

Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, ein paar Gedanken zum Betreuungsscheck zu formulieren, der heute ebenfalls diskutiert wird. Ich gestehe: Im ersten Moment klingt all das ganz gut und interessant, vor allem weil auf diese Weise Wahlfreiheit ermöglicht wird. Nach der zweiten Betrachtung muß man allerdings bereits einige kritische Anmerkungen machen. Vor allen Dingen muß man sich fragen – und das ist mir sehr wichtig –: Welches Ziel möchte ich damit erreichen?

Es ist heute schon gesagt worden, und auch ich glaube, daß auf diese Weise ideologische Schwerpunkte und erwünschte gesellschaftspolitische Veränderungen zum Teil mit dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit verhüllt werden. Manche Dinge, mit denen man Veränderungen herbeiführen möchte, kommen dann aber doch zum Vorschein.

Ich meine, man muß bei dem Kinderbetreuungsscheck einiges klarer definieren: Was beabsichtigen wir damit? Was kostet das? Wie setzen wir das um? Wie schauen Pro und Kontra aus?

Einige Anmerkungen zu diesem Kinderbetreuungsscheck: Die Nachfrage soll angeblich das Angebot bei den Betreuungseinrichtungen regeln. Wird der freie Markt den Bedarf abdecken oder sind doch Förderungen ausschlaggebend für die Bereitstellung von Kinderbetreuungseinrichtungen? Die Länder und Gemeinden sind sehr großzügig mit ihren Förderungen von Kinderbetreuungseinrichtungen. Ich glaube, daß wir, wenn sich die öffentliche Hand von dieser Verantwortung verabschiedet, den Kindern und deren Eltern keinen guten Dienst erweisen.

Eine weitere Frage betrifft die Qualität. Wie steht es – wie in vielen anderen Dingen natürlich auch – mit der Qualitätssicherung? Kommt es dann zu einer unterschiedlichen Betreuung unserer Kinder, weil diese ja davon abhängig ist, ob man sich entsprechend qualifizierte Einrichtungen leisten kann oder nicht.

Eine weitere Frage betrifft die Kontrolle: Wie wird die Ausbildung der betreuenden Personen kontrolliert? Wie werden die Rahmenbedingungen kontrolliert? Inhaltliche Kontrollen fehlen bei diesem Betreuungsscheck.

Außerdem: Wie schaut es mit der tatsächlichen Kostenwahrheit aus? Kann man sich, wenn man mehrere Kinder hat, eine Betreuungseinrichtung überhaupt leisten?

Meine Damen und Herren! Soll der Betreuungsscheck einen Anreiz dafür bieten, daß die Frauen oder die betreuenden Personen zu Hause bleiben? Es besteht vor allem keine Gewähr, daß diese Mittel auch wirklich für die Betreuung der Kinder verwendet werden. Es wird in diesem Zusammenhang immer wieder damit argumentiert, daß auch das Pflegegeld eine Geldleistung ist. Aber wir wissen, daß gerade beim Pflegegeld die Treffsicherheit nicht immer gegeben ist beziehungsweise erreicht wird.

Meine Damen und Herren! Es gibt viele gute Gründe für die Bereitstellung von öffentlichen Betreuungseinrichtungen. Nur mit ihnen kann Regelmäßigkeit, Stabilität und Verläßlichkeit gewährleistet werden. Ein besonders wichtiges Argument für öffentliche Einrichtungen ist auch die Tatsache, daß qualifiziertes Personal für die Kinder zur Verfügung steht. Die Kinder erfahren dort ihre ersten Gruppenerlebnisse, werden in ihrem Sozialverhalten gefördert und erhalten eine Vorbereitung auf die Schule.


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