Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 78. Sitzung / Seite 164

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

wurde dies durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom März des vorigen Jahres. Andere freie Berufe haben diese Möglichkeit bekanntlich schon sehr lange.

Wir als Sozialdemokraten haben uns immer zu Gruppenpraxen bekannt. (Abg. Dr. Leiner: Das ist eine Lüge!) Sie sind eine sinnvolle Ergänzung, Kollege Leiner! Neben den Einzelpraxen und den Krankenanstalten wird eine dritte Ebene eingezogen. Diese Konstruktion hat einige Vorteile, für Patienten etwa den Vorteil, daß mehrere Gesundheitsberufe unter einem Dach angesiedelt und leichter erreichbar sind. Es wird vielleicht sogar die Möglichkeit geben, solche Dienste rund um die Uhr anzubieten. Wir verbinden damit allerdings ganz konkret die Forderung, daß sich diese Gruppenpraxen nicht auf die Ballungszentren beschränken – dort werden ärztliche Dienste meist im Übermaß angeboten –, sondern sich vornehmlich dort etablieren, wo Versorgungslücken bestehen.

Es gibt auch Vorteile für die Ärzte. Ich denke beispielsweise an die erleichterten Investitionsmöglichkeiten oder daran, daß gemeinsame Infrastruktur angeboten werden kann. Nicht zuletzt ist auch die dadurch mögliche interdisziplinäre Kooperation etwas sehr Wichtiges. Davon können wir uns eine Qualitätssteigerung erwarten.

Es kann jedoch sicherlich nicht so sein, daß in dieser Konstruktion die soziale Krankenversicherung draufzahlt. Sie – und ihre Finanzierbarkeit – liegt uns Sozialdemokraten ganz besonders am Herzen.

Es gibt eben die nicht von der Hand zu weisende Sorge, daß durch eine Gemeinschaftspraxis die Versuchung besteht, daß ein Patient sozusagen von Arzt zu Arzt weitergereicht wird und daß man sich dabei bedient. (Abg. Dr. Leiner: Eben nicht!) Dagegen müssen wir – daran sind wir lebhaft interessiert – ganz einfach entsprechend Hürden errichten. Darum geht es uns.

Die Frau Ministerin hat korrekt und emotionslos wiedergegeben, wie der Stand der Gespräche derzeit ist. Es gibt Gespräche zwischen dem Hauptverband und den Ärzten. Mit wem soll der Hauptverband denn bitte sonst reden als mit den Ärzten? Die Ergebnisse dieser Gespräche werden wir abwarten. Vorerst hat, zumindest aus unserer Sicht, die Politik keinen Handlungsbedarf. Ich meine daher, daß die Frau Bundesministerin diese Anfragebeantwortung korrekt und informativ erstellt hat. Diese Besprechung ist daher, mit Verlaub, aus meiner Sicht wirklich nicht notwendig! (Beifall bei der SPÖ.)

18.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Leiner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.41

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Ich bin eigentlich sehr froh über diese Aktion, die vom Liberalen Forum gestartet wurde, denn ich glaube, es ist Handlungsbedarf gegeben. Davon bin ich fest überzeugt.

In den üblichen Kassenpraxen haben wir heute ein System, bei dem jener Arzt, der sich am wenigsten antut, eigentlich am meisten belohnt wird. Wenn zum Beispiel zehn Patienten in eine Praxis kommen und der Arzt jedem ein Rezept verschreibt oder den jeweiligen Patienten krank schreibt, dann bekommt er dafür eine bestimmte Summe. Wenn aber ein Patient kommt, der eine schwere Krankheit hat, und der Arzt für diesen die gleiche Zeit aufwendet wie für die zehn Patienten davor, dann bekommt er nur ein Zehntel von dem, was er zuvor bekommen hat. Das muß man sich einmal vergegenwärtigen, das ist einem normalerweise gar nicht so richtig bewußt.

Das ist natürlich ganz grob schematisiert, das gebe ich schon zu, aber dieses Honorarsystem sowie die Motivation des Patienten und des Arztes bringen eigentlich verblüffende Diskrepanzen in unser Gesundheitssystem, auch das müssen wir berücksichtigen. Auf der einen Seite haben wir eine übergroße Ärztedichte und einen Ärzteüberschuß und auf der anderen Seite überfüllte Wartezimmer mit endlos langen Wartezeiten, vielfache Klagen über zu kurze Befassungszeiten


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite