Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 84. Sitzung / Seite 201

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Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! 1996 haben wir allerdings plötzlich wieder einen Anstieg der Zivildienstmeldungen von 12 Prozent. Kollege Maitz! Was sagt Ihr Verteidigungsminister jetzt dazu? Jetzt sind wir plötzlich wieder über dieser magischen Grenze, die er selbst als das absolute Höchstmaß an Zivildienern angesehen hat, um die militärische Landesverteidigung aufrechtzuerhalten.

Wir hatten 6 700 Zivildienstmeldungen im Jahre 1996. Meine Damen und Herren! Warum lege ich auf diese Feststellung so großen Wert? Sie wissen, wir haben derzeit noch – darüber kann man diskutieren, ob es weiterhin sinnhaft ist – eine Verfassungslage, wonach jeder männliche Staatsbürger, der tauglich zum Wehrdienst ist, diesen auch ableisten muß. Wir haben eine allgemeine Wehrpflicht, und nur dann, wenn es Gewissensgründe gibt, die er glaubhaft machen muß, ist es ihm möglich, einen Wehrersatzdienst zu leisten. Die Einsatzgebiete, in welchen dieser Wehrersatzdienst zu leisten ist, sollten im Bereich der umfassenden Landesverteidigung und im Sozialbereich liegen.

Herr Bundesminister! Die Übersicht über die Einsatzgebiete zeigt schon, daß von dem verfassungsgemäßen Auftrag, daß es sich beim Zivildienst um einen Wehrersatzdienst im Bereich der umfassenden Landesverteidigung handelt, nicht mehr viel übriggeblieben ist. Zwar gibt es zahlreiche Dienste in Spitälern, bei karitativen und sozialen Einrichtungen, die selbstverständlich hoch zu schätzen sind. Dort wird wirklich – das sei auch von unserer Seite ausdrücklich ausgesprochen – wichtige Arbeit für die Gesellschaft geleistet. Daneben aber gibt es eine Reihe von Diensten und Einsatzgebieten, die nicht diesen Kriterien entsprechen, so zum Beispiel Hilfsdienste in Büros sowie Einsätze als Schülerlotsen oder Zivildiener in Ihrem Ministerium, Herr Innenminister. Wo ist dort der Ansatz der umfassenden Landesverteidigung, des Wehrersatzdienstes oder der sozialen Komponente zu finden? Das reicht bis hin zu dem im Ausschuß schon zitierten Einsatzgebiet bei Radio Mosambik.

Herr Innenminister! Sie haben zwar gesagt, es gebe derzeit keinen Zivildiener bei Radio Mosambik, aber ich frage mich, wie diese Einrichtung überhaupt zu einer anerkannten Trägerorganisation werden konnte und warum sie sich um österreichische Zivildiener im Bereich der umfassenden Landesverteidigung und des Sozialbereiches bewerben kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist ein aussagekräftiges Beispiel dafür, wie dabei teilweise Schindluder getrieben wird.

Immer wieder wird argumentiert, daß man in diesem Bereich nicht wirklich kürzen könne. Das haben Sie jetzt auch wieder bemerkt, da Sie Einsparungen vornehmen wollten. Denn, so hört man immer wieder, wir brauchen genau diese Anzahl von Zivildienern, sonst bricht das gesamte Sozialsystem zusammen. – Wie sieht es wirklich damit aus, daß "das Sozialsystem zusammenbricht"?

Meine Damen und Herren! Es gibt derzeit, im Jahr 1997, etwa 8 000 Zivildienstplätze, die auch besetzt sind. Bevor die Regelungen zur Liberalisierung des Zivildienstes Platz gegriffen haben, waren es zwischen 2 000 und 2 500 Plätze, und zwar bis Anfang der neunziger Jahre. Jetzt frage ich Sie, Herr Innenminister: Ist in den letzten fünf Jahren der Bedarf in den sozialen und karitativen Einrichtungen so exorbitant gestiegen, daß wir jetzt nicht mehr 2 500 Zivildiener brauchen, sondern unbedingt diese 8 000, von denen uns jeder erzählt, daß sie notwendig sind, weil sonst alles "zusammenbricht"? – Wenn dem so wäre, dann wäre das zugleich ein Armutszeugnis für diese Regierung. Denn dann müßte in diesen wenigen Jahren im Sozialsystem so viel passiert sein, daß es eigentlich unglaublich und ungeheuerlich ist, und dann hätten Sie extremen Erklärungsbedarf.

Ich glaube aber, daß das Gegenteil der Fall ist und in Wirklichkeit mit diesen billigen Arbeitskräften auch Schindluder getrieben wird. Durchaus positive Einrichtungen wie das Rote Kreuz bekommen dadurch billige und kostenlose Arbeitskräfte, sie weiten ihre Einsatzgebiete dermaßen aus, daß sie anderen Wirtschaftszweigen Konkurrenz machen, wie zum Beispiel bei den im Ausschuß schon diskutierten Sitzend-Krankentransporten, vor allem in den ländlichen Bereichen. Diese waren dort vorher eine wichtige Aufgabe und Erwerbskomponente der privaten Taxiunternehmen, werden jetzt aber wegen des möglich gewordenen Einsatzes kostenloser


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