Ich füge in diesem Zusammenhang hinzu, daß auch in diesem Bereich – ebenso wie in anderen, auf die ich noch zu sprechen kommen werde – im Sicherheitsbericht erhebliche regionale Unterschiede konstatiert werden. Das berühmt-berüchtigte Ost-West-Gefälle schlägt offensichtlich auch bei der Praxis der Durchführung von bedingten Entlassungen durch. – Meine Damen und Herren! Es ist ein Ceterum censeo bei generellen Justizdebatten – sei es, daß wir zum Budgetkapitel "Justiz" reden, oder sei es beim Sicherheitsbericht –, daß irgendeiner der Redner dieses Ost-West-Gefälle anspricht und darauf hinweist, daß es unbefriedigend ist.
Ich weiß schon, daß es aufgrund der Gerichtsorganisation mit den vier Oberlandesgerichtssprengeln dazu kommt. Das werden wir nicht per Dekret oder per Gesetz ändern können. Aber es muß immer wieder darauf hingewiesen und auch darauf hingearbeitet werden, daß es nicht sein kann, daß zum Beispiel ein Verdächtiger, der das Pech hat, im Sprengel des Oberlandesgerichtes Wien verdächtig geworden zu sein, viermal stärker gefährdet ist, in Untersuchungshaft genommen zu werden, als einer, dem das im Sprengel des Oberlandesgerichtes Innsbruck passiert, weil eben im Sprengel des Wiener Oberlandesgerichtes jeder siebente Verdächtige in Untersuchungshaft kommt, hingegen im Sprengel des Oberlandesgerichtes Innsbruck nur jeder dreißigste. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber das hängt sicher auch mit dem Material zusammen! – Abg. Mag. Stadler: Die Statistiken sind mit Vorsicht zu lesen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)
Liebe Frau Kollegin Partik-Pablé! Ich gehe davon aus, daß Sie jetzt nicht als Sicherheitssprecherin, sondern aus Ihrer Profession als Richterin gesprochen haben. Ich möchte doch sehr hoffen, liebe Frau Kollegin Partik-Pablé – ich unterstelle Ihnen da nichts –, daß wir beide einer Meinung sind, daß der Ausdruck "Material" für Verdächtige, der aus einer bestimmten Geisteshaltung kommt, in diesem Zusammenhang ein bißchen unglücklich gewählt ist. Denn es handelt sich um Menschen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wenn Sie mich nur schulmeistern können!) Nein! Das war doch wirklich nett formuliert. (Abg. Dr. Nowotny: Statt daß Sie sich schämen!)
Frau Kollegin Partik-Pablé! Mir widerstrebt es eben, wenn im Zusammenhang mit Menschen – notabene mit Menschen, denen die Freiheit genommen wird – von "Material" gesprochen wird. (Abg. Mag. Stadler: Das ist ein Terminus für das Aktenmaterial! – Abg. Dr. Nowotny: Menschenmaterial! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)
Aber man sieht, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß 5 Minuten in der Tat sehr kurz sind. Erlauben Sie ... (Abg. Haigermoser: Das ist ein Angriff gegen eine unabhängige Richterin!) Nein, das war es nicht! Hört doch auf! Frau Kollegin Partik-Pablé braucht von euch nicht gegen mich verteidigt zu werden. Reden wir über die Inhalte weiter. (Abg. Mag. Stadler – in Richtung des Abg. Dr. Nowotny –: Ein ahnungsloser Professor sind Sie! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist in der Tat etwas, das wir uns als Politiker, als Justizpolitiker immer wieder vornehmen sollten: Wir sollten darauf hinarbeiten, daß in diesem Bereich österreichweit halbwegs gleiche Verhältnisse herrschen. Dabei bin ich mir allerdings bewußt, daß es in den verschiedenen Regionen möglicherweise auch eine unterschiedliche Kriminalitätsanfälligkeit gibt. Aber das ist zuviel: Viermal soviel ist schlicht und ergreifend zuviel!
Ich möchte mit einem positiven Ansatz schließen – das Licht am Rednerpult leuchtet schon rot, und ich möchte die 5 Minuten Redezeit nicht zu weit überschreiten –, und zwar hinsichtlich des Häftlingsstandes im internationalen Vergleich. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war in vergangenen Jahren bei solchen Debatten stets ein unerfreulicher Diskussionspunkt, wenn wir darauf hinweisen oder zur Kenntnis nehmen mußten, daß Österreich – zum Beispiel noch vor zehn Jahren – von allen Europaratsstaaten die höchste Gefangenenrate hatte. Das war ein unrühmlicher erster Platz, den wir eingenommen hatten.
Über die vergangenen zehn Jahre kann man erfreulicherweise feststellen, daß wir uns aufgrund der legistischen Maßnahmen, aufgrund der Rechtsreformen, aber sicherlich auch aufgrund eines gewandelten Bewußtseins, was das Einsperren von Menschen in diesem Lande betrifft –