Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 109. Sitzung / Seite 38

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festgehalten, daß Sie gar keinen Wert darauf gelegt haben, daß es die Abgeordneten überhaupt kennen.

Dieses Papier ist eine einzige Enttäuschung, und das aus den verschiedensten Gründen. Erstens: Es enthält überhaupt nichts Neues. (Ruf bei der ÖVP: Vorschläge!) Es enthält nichts Neues, und jetzt frage ich mich: Wie wollen Sie den Eindruck erwecken, daß das, was Sie hier vorhaben, auch nur eine Chance auf Realisierung hat, wenn Sie in der Vergangenheit eine Reihe von Gelegenheiten gehabt hätten, genau diese Dinge umzusetzen, aber einerseits daran gescheitert sind, daß sich die Koalition nicht einigen konnte, andererseits daran gescheitert sind, daß Sie sich offenbar mit den Sozialpartnern nicht einigen konnten?

Ich brauche nur daran zu denken, was vor gar nicht so langer Zeit im Parlament mit der Mehrheit der Regierungsfraktionen verabschiedet wurde: das Berufsausbildungsgesetz, das Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz, das Arbeitszeitgesetz – das klingt alles sehr gut –, die Gewerbeordnung und vor allem auch die Werkvertragsregelung. Nur: All diese Gesetze haben Sie nicht zum Anlaß genommen, die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen, sondern zum Teil ist das Gegenteil passiert. (Abg. Dr. Khol: Der Erfolg gibt uns recht!) Wir werden heute im Zuge eines Dringlichen Antrages der Liberalen noch einmal über die Werkvertragsregelung reden können. Und von der Gewerbeordnung sage ich gar nichts. Was übrigbleibt, sind Wunschlisten, wobei einer gegenüber dem anderen bereits Vorbehalte anmeldet.

Aber was noch schlimmer ist: Sie bleiben in Ihren alten Denkmustern verhaftet. Und wenn Sie in Ihren alten Denkmustern der Bevölkerung vorgaukeln, die Vollbeschäftigung wäre das Konzept der Zukunft, wäre das Konzept, um den sozialen Zusammenhalt dieser Gesellschaft zu garantieren, dann halte ich das für mehr als fahrlässig. Ich halte es für verantwortungslos, weil es nicht wahr ist. Dies ist Realitätsverweigerung, und das hat zwei schreckliche Auswirkungen: Einerseits wecken Sie eine Erwartungshaltung in der Bevölkerung, die nicht zu befriedigen ist und wo sich die Enttäuschung darüber in einem Crash entladen kann, den Sie nicht verantworten können. Und andererseits dient es Ihnen als Vorwand, sich über keine anderen Konzepte den Kopf zerbrechen zu müssen, wie zum Beispiel – und das halte ich für notwendig – über die Entkoppelung von sozialer Sicherheit und Erwerbsarbeit, weil eben Vollbeschäftigung nicht mehr die Grundlage wird sein können, daß es eine bestimmte Lebensqualität und eine bestimmte Existenzsicherung für alle gibt. Das wissen Sie genau, und wenn Sie hier eine andere Erwartungshaltung vorgaukeln, dann halte ich das für verantwortungslos. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Im übrigen: Daß die Liberalen ein Konzept zur Grundsicherung ausgearbeitet haben und damit hoffentlich endlich einen öffentlichen Diskurs herbeiführen können, das ist etwas, was mich stolz macht. Und wenn ich mir das Begutachtungsverfahren, das wir durchgeführt haben, und die Reaktionen insbesondere der Arbeitsmarktforscherinnen und Arbeitsmarktforscher anschaue, die durchwegs positiv sind, durchaus auch mit Korrekturen und ähnlichem, aber mit Akzeptieren und mit Erkennen, daß das der einzige Weg ist, dann muß ich sagen: Sie haben alles versäumt, weil Sie noch nicht einmal bereit sind, darüber nachzudenken.

Aber Sie haben in einem anderen Bereich auch Ihre alten Denkmuster angewendet, und da appelliere ich jetzt an alle Kollegen und in erster Linie an alle Kolleginnen von den anderen Fraktionen: Wir brauchen eine neue Bewertung der Arbeit, und dies insbesondere im Zusammenhang mit der Situation der Frauen. Das wissen Sie ganz genau. Es hat überhaupt keinen Sinn, wenn wir fordern: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!, wenn die Bewertung der Arbeit weiter nach den männlichen Mustern erfolgt. Wenn Sie nicken, dann hoffe ich, daß Sie unserem Entschließungsantrag, den wir stellen werden, zustimmen werden, der dahin geht, eine Studie in Auftrag zu geben, um genau diese Bewertungskriterien zu hinterfragen und auf diese Weise neue zu erarbeiten.

Wir werden einen weiteren Antrag einbringen. Es gibt so viele Dinge, welche die Situation der Frau – Sie sagen ja selber, daß sie im Ist-Zustand diskriminiert ist – verändern könnten. Sie haben unterschiedliche Fristen für die Karenzzeit für Mann und Frau festgelegt, um es auf diese


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