Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 116. Sitzung / 124

16.07

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! (Ruf: Herr Bundeskanzler!) Entschuldigung. Herr Bundeskanzler! Ich freue mich, und es ist schön, daß der Herr Bundeskanzler heute an dieser sicherheitspolitischen Debatte teilnimmt. Aber es ist bedauerlich, daß wir in diesem Hohen Haus immer nur dann über sicherheitspolitische und außenpolitische Fragen diskutieren, wenn seitens der Oppositionsparteien Aktivitäten gesetzt werden, so wie etwa der heutige Dringliche Antrag. (Abg. Dr. Khol: Was ist gestern gewesen? Was war gestern?!)

Herr Kollege Khol! Eigentlich hätte ich mir erwartet, daß seitens der Österreichischen Volkspartei oder seitens der beiden Regierungsparteien ein Dringlicher Antrag kommt, denn die Dringlichkeit dieser sicherheitspolitischen Debatte ist tatsächlich gegeben. Diesen Zeitdruck haben sich die Regierungsparteien ja selbst auferlegt, weil man vereinbart hat, bis zum Beginn der Vorsitzführung Österreichs im Rahmen der Europäischen Union dem Parlament einen Optionenbericht vorzulegen, damit wir darüber diskutieren und dann eine Entscheidung treffen können. Das ist bis heute nicht geschehen, und daher besteht eine Dringlichkeit dahin gehend, daß wir uns mit den Perspektiven der österreichischen Sicherheitspolitik entsprechend auseinandersetzen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Jetzt ist das Parlament am Zuge. Ich hoffe, Herr Kollege Schieder - ich darf hier noch einmal wiederholen, was ich bereits gestern gesagt habe -, daß wir tatsächlich im Rahmen des Unterausschusses des Außenpolitischen Ausschusses eine ausführliche Diskussion werden führen können, daß es nicht eine einmalige Diskussion sein wird, sondern daß mehrere Sitzungen stattfinden und daß die Optionen, die es gibt, auch entsprechend analysiert und beraten werden.

Herr Bundeskanzler! Ich muß Ihnen widersprechen, wenn Sie meinen, daß der Eindruck entstehen kann, daß Österreich bisher keine Sicherheitspolitik gehabt hätte. Das stimmt einfach nicht. Niemand bestreitet den Nutzen, den die Neutralität als sicherheitspolitische Konzeption in den vergangenen Jahrzehnten gehabt hat. Aber, Herr Bundeskanzler, die sicherheitspolitischen Voraussetzungen für unser Land haben sich geändert. Es gibt in Osteuropa seit dem Jahr 1989, seit dem Fall der Berliner Mauer, eine Entwicklung in Richtung Demokratie. Es ist eine Tatsache - auch Sie haben das ganz besonders hervorgehoben -, daß Österreich seit 1995 Mitglied der Europäischen Union ist. Daher haben sich auch die sicherheitspolitischen und außenpolitischen Voraussetzungen für Österreich geändert. Wir haben das wirklich als Faktum zur Kenntnis zu nehmen und vor allem auch die Konsequenzen daraus zu ziehen.

Ich werde noch darauf zurückkommen, weil ich es wirklich bedauerlich finde, daß wir die Chancen, die sich aus dem Beitritt zur Europäischen Union ergeben haben, bis heute nicht richtig genutzt haben. Wir sind Beobachter bei der Westeuropäischen Union, wir haben bislang nicht die Möglichkeit wahrgenommen, Mitglied in der Westeuropäischen Union zu werden. Wir haben in den anderen parlamentarischen Gremien maximal Beobachterstatus und sind damit in einer schlechteren Position als beispielsweise die früheren Staaten Osteuropas oder Südosteuropas.

Meine Damen und Herren! Ich meine, daß es wirklich notwendig ist, die Fragen der Sicherheitspolitik in diesem Hohen Hause in Hinkunft verstärkt zu behandeln. Es sind wirklich viele entscheidende Fragen an diesem Parlament vorbeigegangen. Herr Bundeskanzler! Ich darf Sie zum Beispiel an die Frage der Teilnahme Österreichs an der "Partnerschaft für den Frieden" im Rahmen der NATO erinnern. Das ist ein politischer Staatsvertrag, und daher hätte das Parlament damit befaßt werden müssen. Oder die Frage von CENCOOP: Da geht es um eine Kooperation mit anderen Staaten in Fragen, die die Sicherheit des Landes berühren, in Fragen der öffentlichen Sicherheit und der militärischen Landesverteidigung. Daher wäre das Parlament aufgrund des Artikels 50 der Bundesverfassung damit zu befassen. Das hat die Bundesregierung bis heute verabsäumt, und ich erwarte, daß wir zumindest im Zuge der Debatte über die sicherheitspolitischen Optionen auch darüber noch werden reden können. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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