Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 116. Sitzung / 207

worden war. Ich weiß nicht, wie wir uns hätten verhalten sollen, um Ihre Zustimmung zu bekommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich verhehle aber auch nicht meine Unzufriedenheit über die Art und Weise, wie wir im Hohen Haus die Verfassung ändern. Ich bin unglücklich darüber, daß wir Verfassungsbestimmungen im Rahmen einer Anlaßgesetzgebung beschließen. Bereits beim Thema "Behinderte" war ich unglücklich darüber, und ich bin auch jetzt wieder unglücklich darüber, daß der Beschluß nicht im Gesamtkontext einer Verfassungsänderung, sondern wieder nur anlaßbezogen erfolgt.

Die Formulierung als solche, glaube ich, ist zu rechtfertigen, auch durch ein klares EU-Recht. Sie lehnt sich an die Gleichbehandlungsrichtlinie an. Unser Vorschlag war, diese Gleichbehandlungsrichtlinie in die Verfassung mit aufzunehmen. Von sozialdemokratischer Seite wurde dann der Wunsch geäußert, die Formulierung aufzunehmen, daß sich Bund, Länder und Gemeinden zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau bekennen.

Ich betrachte das eher als Einschränkung, denn mit dem dezidierten Voranstellen von Gebietskörperschaften kommt es zu einer Beschränkung auf den öffentlichen Dienst. Wir von der ÖVP hätten das nicht unbedingt gebraucht, aber es war leider notwendig, mit den Sozialdemokraten eine so einschränkende Lösung zu treffen. - Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

22.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Jäger zu Wort. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. - Bitte, Frau Abgeordnete.

22.20Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Auch ich habe das Frauen-Volksbegehren von Anfang an als sehr positiv empfunden und es unterstützt. Ich habe die öffentliche Debatte darüber für sehr erfreulich gehalten. Dadurch wurde das Thema "Frauen" in Österreich sehr intensiv behandelt. Ich verhehle jedoch nicht, daß ich mit dem nun vorliegenden Ergebnis nicht zufrieden bin, ich finde es enttäuschend! Gerade die heutige Debatte zeigt, daß auch die Frauen sehr unterschiedliche Vorstellungen haben und sehr unterschiedliche Interessen vertreten.

Besonders bedauerlich finde ich, daß es uns nicht gelungen ist, jene Punkte des Frauen-Volksbegehrens zu erfüllen, in denen es um die existentiellen Probleme der Frauen geht. Es waren dies durchaus berechtigte Wünsche und Forderungen, und ich möchte diese Punkte anführen.

Alle Experten und Expertinnen waren sich darin einig, daß die Pflichten innerhalb der Familien der Grund dafür sind, daß Frauen gegenüber den Männern im Berufsleben bis zur Pension benachteiligt sind. - In dieser Frage haben wir, denke ich, keine Differenzen. Die Frauenerwerbsquote liegt in Österreich derzeit bei ungefähr 60,7 Prozent, ein Wert, der im europäischen Vergleich nicht besonders hoch ist. In der gegenwärtigen Situation nimmt die Frauenarbeitslosigkeit sogar noch zu, deshalb halte ich es für notwendig, die Frauen bei ihrer Rückkehr in die Berufstätigkeit nach der Karenz zu unterstützen. Die Verwirklichung der Forderung nach der Behaltefrist wäre dazu sehr notwendig gewesen. Auch die Umsetzung der Forderung nach der gesetzlich verpflichtenden Möglichkeit zur Teilzeitarbeit für Väter und Mütter wäre eine wichtige Sache gewesen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin enttäuscht, daß, wenn es um diese Fragen geht, sich die Familienpartei ÖVP sehr rasch in die Wirtschaftspartei ÖVP verwandelt. Da Herr Dr. Stummvoll in der gestrigen Budgetdebatte klargestellt hat, daß sich die österreichische Wirtschaft derzeit in einer sehr guten Lage befindet, müßte meiner Ansicht nach auch der österreichischen Wirtschaft daran gelegen sein, diesen kleinen Wunsch nach Teilzeitarbeit für Mütter und Väter, die gleichzeitig Betreuungspflichten haben, zu erfüllen. (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist kein Problem, Frau Kollegin!)

Wann können wir solche Forderungen stellen, wenn nicht in einer Zeit, in der die Wirtschaft halbwegs gut funktioniert? Ich finde es sehr enttäuschend, daß es nicht möglich war, das zu verwirklichen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden nicht zulassen, daß die


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