Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 119. Sitzung / 57

berger: Ein gestörtes Verhältnis! Sie haben ein gestörtes Verhältnis zu geschützten Werkstätten!) - Ich habe kein gestörtes Verhältnis, sondern ich habe - im Gegensatz zu Ihnen - ein realistisches Verhältnis zu diesen Einrichtungen. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Guggenberger! Ihnen hat man wahrscheinlich noch nie das Angebot gemacht, Sie könnten um 250 S im Monat in einer geschützten Werkstätte Bleistifte im 25-Stück-Bündel abpacken. (Abg. Mag. Guggenberger: Das gibt es in einer geschützten Werkstätte ja nicht!) Das wird in geschützten Werkstätten gemacht. (Abg. Mag. Guggenberger: Nein! Das stimmt überhaupt nicht! Da gibt es einen Kollektivvertrag und entsprechende Entlohnung!) Sie könnten auch - da es dort verschiedene Tätigkeiten gibt - Firmenzeichen von Versicherungen auf Reisetaschen kleben. Auch das wird in geschützten Werkstätten gemacht. Oder Sie könnten, wenn Sie möchten, Telephonkabel einsackeln und Kleiderbügel abschleifen. Das alles sind Tätigkeiten, die in geschützten Werkstätten konkret ausgeübt werden.

Wenn Sie das nicht glauben, dann waren Sie noch nie dort. Mein "gestörtes Verhältnis" zu geschützten Werkstätten resultiert nämlich daraus, daß ich zu hunderten Malen in diesen Einrichtungen war und dort tagtäglich sehe, daß Leute mit 270 S im Monat heimgehen. (Abg. Mag. Guggenberger: In keiner geschützten Werkstätte gibt es das, Frau Kollegin! Dort wird zumindest ein Kollektivvertragslohn bezahlt!)

Herr Guggenberger! Sie verwechseln zwei Dinge fundamental, nämlich die geschützten Werkstätten im traditionellen Sinn, wie wir sie in Österreich flächendeckend haben, mit ein paar GesmbH-Arbeitsplätzen. Das ist etwas völlig anderes. Geschützte Werkstätten sind Sonderanstalten für behinderte Menschen, in denen die Menschen zum Nulltarif arbeiten müssen und keine sozialversicherungsrechtlichen Absicherungen haben. Und das gehört aufgelöst!

Frau Ministerin! Wenn Sie mit diesem Maßnahmenpaket wirklich ernsthaft beabsichtigen, geschützte Werkstätten weiterhin aufzubauen und behinderte Menschen dorthin auszulagern, dann machen Sie einen gewaltigen Rückschritt im Hinblick auf Integration! Aber das ist anscheinend Ihr Ziel! - Wenn das jedoch nicht Ihr Ziel sein sollte, dann gebe ich Ihnen meinen Fünf-Punkte-Katalog. Und erst wenn Sie diesen Fünf-Punkte-Katalog in Ihr Maßnahmenpaket eingearbeitet haben, dann werden Sie wieder ein Stück Glaubwürdigkeit für behinderte Menschen und arbeitslose behinderte Menschen zurückgewonnen haben! Wenn Sie diese Punkte nicht einarbeiten, dann werden Sie die behinderten Menschen aus dem Arbeitsprozeß hinausschmeißen und diese werden auf dem "ersten" Arbeitsmarkt kaum mehr eine Chance haben! - Danke. (Beifall bei den Grünen.)

21.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Krammer. - Bitte, Frau Abgeordnete.

21.32

Abgeordnete Dr. Christa Krammer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Frauen Ministerinnen! Frau Kollegin Haidlmayr! Ich wollte das ursprünglich nicht sagen, aber es drängt mich hie und da schon ein bißchen, Ihnen zu antworten, besonders im Hinblick auf die Tatsache, daß ich sieben Jahre lang als Mitglied der Burgenländischen Landesregierung für das Sozialwesen und damit auch für das Behindertenwesen verantwortlich war: Sie sind die erste behinderte Person, von der ich soeben erfahren habe, daß sie die geschützte Werkstatt ablehnt. Im Burgenland kam irgendwann einmal die Frage aufs Tapet, daß man die geschützte Werkstätte Schlaining schließen könnte. - Da gab es einen Aufstand, alle Betroffenen sind zu mir gekommen und haben sich aus tiefstem Herzen und wirklich sehr, sehr massiv darüber beschwert. Das Land Burgenland hat selbstverständlich alles unternommen, um diese geschützte ... (Abg. Haidlmayr: Das stimmt ganz einfach nicht!) Ich bitte Sie! Ich habe das selbst erlebt, ich erzähle es nicht vom Hörensagen! Man hat mich dringend gebeten, alles zu unternehmen, damit diese geschützte Werkstätte bestehen bleibt, und es gibt sie natürlich noch.

Die Wirtschaft war nicht sehr glücklich mit dieser geschützten Werkstätte, weil dort Keramik hergestellt wurde. Seitens der Wirtschaft kam immer wieder das Argument, daß diese Werkstätte eine zu große Konkurrenz sei, aber die Behinderten selbst ... (Abg. Haidlmayr: Frau Abgeord


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