Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 119. Sitzung / 80

23.17

Abgeordneter Dr. Alois Mock (ÖVP): Meine Damen und Herren! Sicherlich kann man hier über die realistische Vorgangsweise diskutieren. Da die Vorgangsweise, die wir beim Beitritt - einem noch viel wichtigeren Akt - gewählt haben, auch vor dem Verfassungsgerichtshof durchaus Respekt gefunden hat, ist es, denke ich - wir haben ja in der Präsidiale sehr eingehend darüber gesprochen (Abg. Dr. Kier: Volksabstimmung!) -, durchaus gerechtfertigt, auch in diesem Fall diese Vorgangsweise zu wählen. (Abg. Dr. Gredler: Machen Sie eine Volksabstimmung!)

Das wichtige ist, daß in diesem Vertrag von Amsterdam mehr Sicherheit und mehr Chancen für den Frieden in Europa enthalten sind, weil dies ein weiterer Schritt zur Integration ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) Ich möchte in keiner Weise die juristische Korrektheit minder einschätzen, aber das ist das Ziel der Europäischen Integration.

Meine Damen und Herren! Ich möchte hier nur ganz kurz auf diesen Faden verweisen, der sich durchzieht, angefangen von der europäischen Idee nach dem Zweiten Weltkrieg bis herauf zu den letzten Beratungen in Avignon, wo wieder deutsch-französische Beratungen nach dem etwas schwierigen Prozeß im Bereich der Wirtschafts- und Währungsunion stattgefunden haben. Damals war die Rede von der immer strenger und enger werdenden Zusammenarbeit. Das heißt, die Zusammenarbeit war ein dynamischer Prozeß. Der Begriff der "immer engeren Zusammenarbeit" hat sich schon 1948 auf der ersten großen Konferenz der Europabewegung in Den Haag gefunden, und er hat sich dann neuerlich in den Verträgen der Montanunion gefunden.

Es gab immer wieder Rückschläge. Die Montanunion war der erste große Vertrag, der rechtlich die Integration begründet und das Ziel klargemacht hat. Das Ziel ist ein Europa, das nie mehr einen nationalen Krieg des einen Volkes gegen das andere kennt. Da war der Schwung so groß, daß man gesagt hat: Nach der Montanunion werden sofort die Politische Union und die Verteidigungsunion kommen. Aber die Verteidigungsgemeinschaft blieb stecken: Sechs Staaten haben unterschrieben, aber nur fünf ratifiziert, sodaß die Verteidigungsunion nicht zustande kam. Auch die Politische Union blieb damals liegen.

Man ging auf den wirtschaftlichen Sektor über. Es kam zu den Römer Verträgen über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Euratom. Über die Wirtschaft wollte man die Völker zusammenbringen, und das ist auch gelungen.

Dann kam der große Bogen: Anfang der siebziger Jahre wurde aufgrund eines Berichtes des luxemburgischen Ministerpräsidenten Pierre Werner wiederum ein Beschluß für eine Wirtschafts- und Währungsunion gefaßt. Auch dieser Bericht blieb stecken. Es kam dann zur Einheitlichen Europäischen Akte, wodurch vor allem der Gemeinsame Markt festgelegt wurde.

Danach folgte der große Schritt von Maastricht. Dort wurde zum ersten Mal die Gesamtheit der Integrationsmaßnahmen in Richtung einer Politischen Union kanalisiert, und dort begannen auch die Verpflichtungen zur Wirtschafts- und Währungsunion. Die Wirtschafts- und Währungsunion war die einzige große Möglichkeit, einen Qualitätssprung im Bereich der europäischen Einigung durchzuführen. Damit war automatisch die Notwendigkeit fixiert, auch die Budgetpolitik der einzelnen Mitgliedstaaten enger zusammenzuführen und zu koordinieren. Es wurde ein großes Maß an Disziplin verlangt.

Meine Damen und Herren! Wer hätte noch vor zehn Jahren annehmen können, was etwa Italien inzwischen an beispielhaften, engagierten, disziplinierten Maßnahmen im Sinne der Sanierung der Staatsfinanzen durchgeführt hat? - Niemand hätte das geglaubt! Der Wettbewerb ist in gewissem Maße eine gute Einrichtung. Der Wettbewerb, der Erste in Europa zu sein, hat viele Vorteile gebracht: Sanierung, neue Chancen, neue Wettbewerbsfähigkeit. Amsterdam hat manches ergänzt, was Maastricht noch nicht leisten konnte. (Beifall bei der ÖVP.)

Daher ist dieser Vertrag aus meiner Sicht ein Zeichen der Hoffnung darauf, daß es trotz aller Schwierigkeiten und Rückschläge weitergehen wird. Er ist auch eine Ermahnung, Ideale mit Realismus durchzuführen, also jene Vorgangsweise einzuhalten, zu der Jean Monnet geraten hat: Nicht mit einem großen Schwung, nicht mit einer Verfassungsurkunde und einer konstitutio


Vorherige SeiteNächste Seite
Seite 1