Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 121. Sitzung / 64

von EU-Experten droht mit der Osterweiterung der EU ein weiteres Sicherheitsproblem erster Ordnung, da die meisten osteuropäischen Staaten ihren Grenzschutz bisher vernachlässigt haben und sich deshalb die großkriminellen Organisationen ungehindert und grenzüberschreitend ausweiten konnten.

In den letzten Jahren traten im Rahmen der organisierten Kriminalität im verstärktem Ausmaß Täter und Tätergruppen, die ihren Ursprung im ehemaligen Ostblock haben, in Österreich auf (vor allem im Bereich der Wirtschaftskriminalität, bei der Geldwäsche, im Suchtgifthandel, der Kfz-Verschiebung und im Menschenhandel).

Der amerikanische Experte für internationale Finanzkriminalität, Jack Blum, sieht in Wien sogar ein Zentrum der Geldwäsche aus den ehemaligen Oststaaten. Im zunehmendem Maße fänden Transaktionen mafioser Organisationen aus Rußland und insbesondere die Weißwäsche von Geldern kriminellen Ursprungs in Wien statt (,Die Presse', 10. März 1998).

Der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Dr. Michael Sika, schätzt die Bedrohung Österreichs durch die von Kriminellen aus der ehemaligen Sowjetunion gesteuerte organisierte Kriminalität überaus dramatisch ein, indem er feststellt, daß ,man sich im klaren sein' müsse, ,daß es keinen Handel mit Rußland gibt, ohne irgendwie in Kontakt mit mafiosen Leuten zu kommen' (,profil' Nr. 11, 9. März 1998). Gleichzeitig wirft Sika maßgebenden Politikern der Koalitionsparteien vor, die Augen vor der offenkundigen Realität zu verschließen, indem sie naiv fragen: ,Gibt es die organisierte Kriminalität wirklich?'

Die Fahrlässigkeit höchster österreichischer Stellen wird auch dadurch illustriert, daß trotz der Offenkundigkeit eines möglichen kriminellen Umfeldes bei den Osthilfeprojekten des Bundes und der Länder, insbesondere der Stadt Wien, in die zu Lasten des Steuerzahlers Milliardenbeträge geflossen sind, sicherheitsbehördliche Prüfungen der Auftragnehmer im Zusammenhang mit kriminellen Aktivitäten nicht erfolgt sind (Anfragebeantwortung des Bundesministers für Inneres Dr. Einem vom 16. September 1996, 1116/AB-BR/96).

Bei den Osthilfemaßnahmen Österreichs handelt es sich um Förderungsausgaben des Bundes, die ohne gesetzliche Grundlage im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung aufgrund von Ministerratsbeschlüssen geleistet werden. Die innerstaatliche Koordination obliegt nach dem Bundesministeriengesetz dem Bundeskanzleramt.

Der Rechnungshof hat bereits mehrfach (TB 1981 Abs. 35, TB 1986 Abs. 9 und zuletzt im Nachtrag zum TB 1993, Reihe Band 1995/2) darauf hingewiesen, daß derartige Förderungsvorhaben in Entsprechung des Grundsatzes der doppelten gesetzlichen Bedingtheit der Staatsausgaben neben der bundesfinanzgesetzlichen Vorsorge auch einer materiell-rechtlichen Grundlage bedürfen.

Eine derartige materiell-rechtliche Grundlage wurde jedoch bisher nicht geschaffen.

Das Bundeskanzleramt teilte dem Rechnungshof lediglich mit, daß es ihm zu ,gegebener Zeit' einen entsprechenden Gesetzentwurf zuleiten werde. Daraus ist zu erkennen, daß offenbar gar nicht die Absicht besteht, den langjährigen Forderungen des Rechnungshofes zu entsprechen. Dadurch wird auch die Möglichkeit geschaffen, daß die der Osthilfe zugrunde liegenden Geschäftskontakte weiterhin verschleiert werden können und daß jegliche Kontrolle des Umfeldes der osteuropäischen Geschäftspartner unmöglich gemacht wird.

Es ist daher auch nicht verwunderlich, daß es zu einer Vielzahl von Kontakten - sei es bewußt oder unbewußt - von Koalitionspolitikern mit Personen aus dem Milieu der Russenmafia gekommen ist:

Der damalige Bundeskanzler Dr. Franz Vranitzky intervenierte beispielsweise für den Unternehmer Leopold Bausbek bei seinem ehemaligen Sekretär Gerhard Praschak, der mittlerweile Vorstand der Oesterreichischen Kontrollbank geworden war. Gegenstand der Intervention waren Ostgeschäfte mit dem später ermordeten David Sanikidse, wobei es um Hotelprojekte ging. David Sanikidse, in seiner Heimat ein prominenter Mann, war den Behörden wohl bekannt. Er


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