Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 121. Sitzung / 85

gestellt werden, daß Straftätergruppen aus dem ehemaligen Ostblock verstärkt europaweit Strukturen aufbauen.

Frau Abgeordnete Gredler! Ich würde Sie bitten, den Sicherheitsbericht zu lesen. (Beifall bei den Freiheitlichen. - Abg. Dr. Gredler: Ich habe ihn zitiert!)

16.14

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. - Bitte, Frau Abgeordnete.

16.15Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Zwei Vorbemerkungen, bevor ich zu meinem eigentlichen Thema, den Grundlagen und Ursprüngen des organisierten Verbrechens, komme.

Die erste Vorbemerkung: Es wurde von mehreren Vorrednern, vom Abgeordneten Löschnak und anderen, hervorgehoben, gegen die organisierte Kriminalität seien durch Lauschangriff und Rasterfahndung effiziente Instrumente geschaffen worden. Ich kann das beim besten Willen wirklich nicht erkennen. Denn wenn es so ist - und ich denke, wir sind alle schockiert darüber -, daß am hellichten Tag in der Wiener City ein Verbrechen begangen werden kann und daß sich organisierte Kriminalität offenbar überhaupt nicht darum schert, welche polizeilichen Ermittlungsmethoden hier in verfassungswidriger Weise eingeführt worden sind, dann zeugt das nicht eben von der Effizienz und der Abschreckungswirkung dieser Maßnahmen. - Das zum einen.

Zum anderen: Es wurde auch erwähnt, diese Regierung habe alles getan, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Migration. - Meine Frage vor allem an diejenigen, die für die Summe der meiner Meinung nach auch teilweise verfassungswidrigen AusländerInnen- und Fremdengesetze gestimmt haben: Wenn das alles so ist, wieso ist dann von einem Mehr an Kriminalität die Rede? Ist es nicht eher so, daß Sie mit diesen Gesetzen immer kleinen Leuten geschadet haben und daß das, was Sie organisierte Kriminalität nennen, überhaupt nicht berührt ist von all diesen Gesetzen?

Bezüglich effizienter Maßnahmen gegen Geldwäscherei kann ich der Kollegin Gredler nur recht geben. Ich sehe überhaupt keinen Grund, warum wir nicht bei einer Beibehaltung oder sogar noch einer Verschärfung des Bankgeheimnisses, das von manchen nicht so sehr gewahrt wird - der Kollege Öllinger hat das im Zusammenhang mit den Freiheitlichen ja sehr deutlich ausgeführt -, endlich die Anonymität aufgeben. Dann gibt es kein Schlupfloch mehr für irgendwelche Mafiakonten, und ich glaube, das wäre wirklich eine effiziente Maßnahme.

Nun zum zweiten Bereich, den geistigen Grundlagen des organisierten Verbrechens. Der politische Vordenker aus der Schweiz, Jean Ziegler, hat in seinem aktuellen Buch die organisierte Kriminalität sehr treffend, wie ich meine, als das Spiegelbild, als die Kehrseite der Medaille dieses unseres Wirtschaftssystems dargestellt, wie es vor allem seit dem Jahr 1989, seit dem Fall des Eisernen Vorhanges, immer dreister und skrupelloser praktiziert wird. Die errungenen sozialen Standards zerbröseln schnell. Ökologische Barrieren werden nicht mehr beachtet, werden nur als lästiger Kostenfaktor gesehen und zurückgedrängt. Was übrigbleibt ist das, was in der seriösen Literatur bereits ziemlich einhellig als Killerkapitalismus bezeichnet wird. Ein Wirtschaftssystem, das buchstäblich über menschliche Opfer drübergeht, über die sozial Schwachen, ein System, in dem menschliche Rechte, Menschenwürde, Ansehen der Person überhaupt nicht mehr zählen.

In so einem System, das von den Regierenden immer noch propagiert wird, mit internationalen Abkommen unterstützt wird, ist es kein Wunder, wenn dann auf der anderen Seite der Medaille skrupellose Kriminelle sagen: Was mit Brief und Siegel der offiziellen Wirtschaftsordnungen passieren kann, das können wir noch besser, noch dreister, noch skrupelloser! Diese organisierte Kriminalität, die Sie hier ansprechen, ist die absolute Kehrseite der Medaille eines entfesselten Killerkapitalismus. (Beifall bei den Grünen.)


Vorherige SeiteNächste Seite
Seite 1