Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 122. Sitzung / Seite 49

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Obwohl diese Osterweiterung sicherheitspolitisch und wirtschaftspolitisch langfristig Vorteile bringen wird und auch mit einem raschen wirtschaftlichen Wachstum der Beitrittsländer zu rechnen ist – man geht in einer Wifo-Studie davon aus, daß die Wirtschaft der Ostländer um 3,5 Prozentpunkte schneller wachsen wird als unsere –, müssen in bezug auf Freizügigkeiten der Zuwanderung längere Übergangsfristen für die Tagespendler geschaffen werden. Laut einer Wifo-Studie ist dieses Problem am besten dadurch zu lösen, wenn die volle Freizügigkeit stufenweise erst bis zum Jahre 2015 eintritt. Dann werden wir die 30 000 Arbeitskräfte sehr dringend brauchen, wenn man den Voraussagen Glauben schenken kann, daß bis zu diesem Zeitpunkt in Österreich die Zahl der erwerbstätigen Bevölkerung um 650 000 zurückgegangen sein wird.

Sinnvolle Beurteilungskriterien für die Fristen zur Gewährung dieser EU-Freizügigkeiten mit wiederholter Überprüfung – ich betone: mit wiederholter Überprüfung! – der Annäherung der Regionen müssen eingeführt werden. Die Strukturreform der Europäischen Union im Rahmen der Agenda müssen gerade aus österreichischer Sicht sehr kritisch und wachsam beobachtet und mitgestaltet werden, damit nicht wahr wird, was man heute verschiedentlich hört und was heute geschätzt wird, nämlich, daß durch diese Reform des Strukturfonds Österreich einen Schaden von 4,8 Milliarden Schilling erleidet.

Das Beispiel Oberösterreich zeigt, daß durch die Tatsache, daß die Grenzregion die Hauptlast der Ostöffnung schon bisher zu tragen hatte, der wirtschaftliche Aufholprozeß dort zum Erliegen gekommen ist. In Oberösterreich gibt es eine starke Orientierung zur Sachgüterproduktion, und somit steht diese Produktion, stehen die Betriebe unter starkem Konkurrenzdruck gerade aus den Ostländern, was zwischen 1991 und 1995 in dieser Region zur Schließung von 69 Betrieben und auch zu einem erheblichen Kaufkraftabfluß geführt hat.

Die Abwanderung aus den Grenzregionen kann nur durch Arbeitsplätze in den Regionen beziehungsweise in erreichbarer Nähe verhindert werden. Dies bedeutet aber eine gezielte Förderung der Klein-, Kleinst- und Mittelbetriebe, die Förderung von Kooperationen im Bereich Marketing, im Bereich Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter, im Bereich Beratung und Förderung im Zusammenhang mit Zugängen zu internationalen Märkten. Zur Verhinderung der Abwanderung von Arbeitskräften und Betrieben ist aber ein gezielter Ausbau des öffentlichen Verkehrs und der Verkehrsinfrastruktur eine wesentliche Grundlage für die regionale Wirtschaftspolitik in diesen Regionen.

Die Zahl der Arbeitsplätze ist bekanntermaßen sehr gering, die Zahl der Pendler in diesen Regionen sehr, sehr hoch. Für die Pendler, die um drei, halb vier Uhr in der Früh aufstehen, um in die Arbeit zu fahren, und die auf schlecht ausgebauten Straßen täglich vier Stunden im Bus verbringen, ist das ein tägliches Ärgernis, und sie werden schlußendlich kapitulieren und aus diesen Regionen abwandern.

Wie wichtig Verkehrspolitik als Regionalpolitik für Unternehmungen ist, zeigt das Beispiel Ennshafen als größtes Betriebsansiedlungsgebiet Österreichs. Ich werde nicht aufhören, hier solange davon zu reden, bis Arbeitsplätze dort ermöglicht werden. Meine Damen und Herren! Tausende Arbeitsplätze können dort erst dann realisiert werden, wenn endlich leistungsfähige Verkehrsanbindungen geschaffen werden, Arbeitsplätze, die für die Pendler gerade aus den Grenzregionen Mühlviertel und nordwestliches Waldviertel eine Verkürzung des Weges zum Arbeitsplatz bedeuten.

Es sind also keineswegs immer nur überregionale, große Hochleistungsstraßen und transeuropäische Netze von Bedeutung, sondern oft trägt schon die kleine, punktuelle, intelligente Verkehrspolitik sehr wesentlich zur wirtschaftlichen Standortqualität bei und führt damit dazu, daß diese Grenzregionen nicht entvölkert werden.

Kurz auch noch eine Bemerkung zur Diskussion um die Zeltfeste. Herr Bundesminister! Wir dürfen diese Zeltfeste in Zukunft nicht verhindern. Gerade für diese Grenzregionen sind das gesellschaftliche Höhepunkte, und wenn man die dort nicht mehr zuläßt, dann wird dort das gesellschaftliche Leben absterben.


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