Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 123. Sitzung / Seite 111

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

dazu einzuladen. Vielleicht ist es uns möglich, in den wesentlichsten Mitgliedstaaten zum Thema Anti-Atom gemeinsames parlamentarisches Lobbying zu betreiben.

Meine Damen und Herren von den Grünen! Ich glaube, wenn wir den Menschen vormachen, daß wir nur mit den Fingern zu schnippen brauchen und unsere Nachbarn werden daraufhin sofort aus der Nukleartechnologie aussteigen und sich von der Atomkraft verabschieden, erweisen wir der Sache selbst keinen guten Dienst. Sie wissen genauso wie ich, daß dem nicht so ist. Der Herr Bundeskanzler hat ja zuvor ausgeführt, wie mühevoll sich die Verhandlungen und die Gespräche gestalten – eingedenk dessen, daß unsere Nachbarstaaten in ihren Entscheidungen so souverän sind wie wir. Es wird sogar im Entschließungsantrag der europäischen Parlamentarier darauf hingewiesen, daß sie im Bereich der Primärenergieversorgung auf alle Fälle souverän sind.

Wenn wir das bedenken, dann erweisen wir der Sache, nämlich dem Ausstieg aus der Atomkraft, auf Sicht sicher dadurch, daß wir die Diskussion ehrlich und realistisch führen, einen besseren Dienst. (Beifall bei der SPÖ.)

16.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt als nächste Frau Abgeordnete Maria Rauch-Kallat. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.03

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Österreich hat sich vor mehr als 20 Jahren dazu entschlossen, in Österreich keine Energie aus der Kernkraft zu gewinnen und hat den Mut gehabt, ein fertiggebautes Kernkraftwerk deshalb nicht in Betrieb zu nehmen, weil es Bedenken gegenüber der sogenannten friedlichen Nutzung der Kernkraft gegeben hat. (Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger.  – Abg. Ing. Reichhold: Zurücknehmen und entschuldigen!)

Gerade die Ereignisse der letzten Tage rund um die Castor-Transporte in Deutschland zeigen, wie sensibel dieser Bereich ist, und wie durchaus berechtigt das Mißtrauen ist, das die Bevölkerung der Nutzung der Kernkraft entgegenbringt.

Österreich hat sich dazu verpflichtet – und ich bin sehr froh darüber, daß die Bundesregierung von dieser Linie nie abgewichen ist –, für ein kernkraftfreies Mitteleuropa einzutreten. Österreich hat noch zu lernen beziehungsweise hat mit der Realität, daß es Kernkraftwerke in Europa gibt – sowohl in Westeuropa als auch in Mittel- und Osteuropa –, zu leben gelernt. Es muß aber unser Ziel sein, all jene, die heute noch von der Kernkraft überzeugt sind, davon zu überzeugen, daß ein mittel- und langfristiger Ausstieg aus der Kernenergie sinnvoll ist.

Die weltweite Entwicklung bestätigt dies: In den Vereinigten Staaten gibt es seit mehr als zehn Jahren keine Neuzulassung von Kernkraftwerken mehr; nur mehr bereits in Bau befindliche werden fertiggestellt. Dies deshalb, weil man in der Zwischenzeit weiß, daß die Kernkraft keineswegs jene billige Energie ist, für die sie in den fünfziger und sechziger Jahren gehalten wurde. Kernkraft ist sogar ohne Einberechnung der Endlagerungskosten eine der teuersten Energien. Wenn man den Unfall in Tschernobyl als Beispiel nimmt, muß man sie sicher als die teuerste Energie schlechthin bezeichnen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ganz abgesehen von den wirtschaftlichen Schäden, die die Kernkraft anrichten kann, bereitet uns auch der gesundheitliche Schaden Sorge. Daher hat Österreich in den Jahren 1994 beziehungsweise 1995, als die Slowakei öffentlich kundtat, daß sie das AKW Mochovce fertigbauen werde und sich dafür um einen Kredit bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung beworben habe, völlig zu Recht seine Bedenken angemeldet und mit dem Versuch einer öffentlichen Anhörung auch seine Nachbarschaftsrechte geltend gemacht. Ich darf daran erinnern, daß es damals vier Punkte waren, an die die EBRD ihren Kredit gebunden hat: eine öffentliche Anhörung, ein westlicher Sicherheitsstandard – wir alle wissen, daß der nicht genau definierbar ist, aber er ist sicher nicht das, was Mochovce derzeit diesbezüglich bietet –, das Least-Cost-Prinzip und die Abschaltung von Bohunice.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite