Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 128. Sitzung / 19

es nur zwei Möglichkeiten gibt: Entweder der freie Dienstvertrag ist eine Umgehung und in Wirklichkeit ein echtes Dienstverhältnis - dann gehört er voll ins Arbeitsrecht -, oder er ist ein Scheindienstvertrag, also in Wirklichkeit eine echte Selbständigkeit - dann ist er kein Dienstvertrag, sondern eben Selbständigkeit.

Wir haben zu diesem Problem in diesem Haus bereits Anträge eingebracht - und wir werden es wieder machen -, durch die die freien Dienstnehmer sozialversicherungsrechtlich als solche abgeschafft werden und statt dessen folgende Regelung gelten soll: Ist jemand, was sich an den Merkmalen des Beschäftigungsverhältnisses durchaus feststellen läßt, ein echter Dienstnehmer, dann ist er ASVG-pflichtig und steht im übrigen unter dem vollen Regime des Arbeitsrechtes und der damit verbundenen Schutzaspekte. Ist jemand aber ein "neuer Selbständiger", der nur die Rechtsform eines "freien Dienstvertrages" gewählt hat, dann ist er GSVG-pflichtig und im übrigen auch einkommensteuer- und nicht lohnsteuerpflichtig.

Sie sollten den Versuch wagen, in einer interministeriellen Kraftanstrengung gemeinsame Abgrenzungen zu definieren, und zwar nicht nur dadurch, daß in den einzelnen Gesetzen sozusagen wortgleiche Definitionen enthalten sind, sondern indem ausdrücklich zum Ausdruck gebracht wird, daß Unselbständigkeit ASVG- und Lohnsteuerpflichtigkeit, Selbständigkeit GSVG- und Einkommensteuerpflichtigkeit bedeutet. Dies sollte in einer durchgängigen, stringenten Form festgelegt werden, sodaß es kein "Entkommen" - im positiven Sinn des Wortes, nämlich im Sinne der Sozialpflichtigkeit jedes erzielten Einkommens - gibt.

Daß Sie in Ihren Anstrengungen bei den geringfügig Beschäftigten begonnen haben, ist einerseits - von einer naiven Intention her - nicht unsympathisch, andererseits ist es mir bis heute nicht einsichtig, warum Sie nicht den Schritt gewagt haben, bei gleichzeitig gesenkten Prozentsätzen die Arbeitgeberbeiträge von den Lohnsummen zu nehmen. Das wäre ein wesentlicher Schritt in jene Richtung gewesen, daß jeder Lohnschilling die gleichen sozialen Lasten trägt, und das wäre besonders deshalb wichtig, weil viele Umgehungs- und Ausweichgeschäfte, die auch heute noch im Bereich der Unselbständigen zu finden sind, damit nicht mehr möglich wären.

Zum Armutsbericht möchte ich noch eine Anmerkung - auch wieder an die Adresse unter anderem des Klubobmanns der ÖVP - machen. Studieren Sie die Zahlen über die Kinderarmut im sozialen Bericht. Studieren Sie sie bitte! 152 000 Kinder leben unter der Armutsgrenze, und zwar meistens selbstverständlich im Zusammenhang mit ihren Familien. Dies sind allerdings häufig keine Familien im normtypischen Sinn, sondern AlleinerzieherInnen und AlleinerhalterInnen. Sie leben weit unter der Armutsgrenze. (Abg. Schwarzenberger: Der Großteil der Bauernkinder!) Vielfach auch bäuerliche Familien, ganz richtig.

Gerade mit jener Maßnahme, derer Sie sich so berühmen, nämlich mit der Familienreform, haben Sie da keine nennenswerte Abhilfe geschaffen. Ich habe noch einen Ausspruch eines Ihrer Mitarbeiter im Ohr, der da lautet: Wenn Sie sich um die Kinderarmut Sorgen machen - das ist ein Originalzitat eines ÖVP-Mitarbeiters -, dann wünschen wir Ihnen viel Glück, das ist nicht unser Problem! (Die Abgeordneten Gatterer und Großruck: Wer hat das gesagt?) Das war im Zuge einer Diskussion im Familienministerium! (Abg. Großruck: Namen nennen!)

Ich werde Ihnen diesen Menschen nicht vorführen. Er ist ein verdienstvoller Mitarbeiter des Herrn Bundesministers Bartenstein. Lassen Sie es dabei bewenden. (Rufe bei der ÖVP: Nein! Nein!) Ich werde es Ihnen nachher sagen. Ich werde den Namen von diesem Rednerpult aus nicht ins Protokoll bringen. (Abg. Großruck: Wer hat das gesagt?) Glauben Sie mir das. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) Schreien Sie dazwischen, soviel Sie wollen, bezweifeln Sie die Richtigkeit meiner Aussage, nennen Sie mich einen Schuft, wie Sie wollen (Abg. Dr. Schwimmer: Nein! Schlicht und einfach einen Erfinder von Unwahrheiten!), aber ich sage Ihnen expressis verbis: Das ist nicht unsere Zielgruppe! Sozialpolitik kann meiner Meinung nach überhaupt nur eine Zielgruppe kennen, nämlich die Menschen, die unter der Armutsgrenze leben! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Verstehen Sie mich? Das ist eine Frage des Anliegens. Wenn Sie vielleicht einen Augenblick so ehrlich waren, zu sagen, daß Sie eine andere Zielgruppe haben (Abg. Dr. Schwimmer: Sie


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