Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 128. Sitzung / 18

sen beschäftigt. Darin ist ein dramatisches, nachhaltiges Ansteigen der Langzeitarbeitslosigkeit bei gleichzeitig steigender Tendenz in den Arbeitslosenzahlen überhaupt verzeichnet. Die Zahlen schwanken zwar leicht, sind aber sehr hoch! Ich halte es daher für mehr als zynisch, vor dem Hintergrund eines Rückganges der offenen Stellen die Langzeitarbeitslosen als diejenigen zu bezeichnen, die sich in der "sozialen Hängematte" aufhalten.

Außerdem ist der Ausdruck "soziale Hängematte" in mehrfacher Hinsicht "giftig", denn er erweckt den Eindruck, daß es in dieser Hängematte sehr komfortabel ist, daß sozusagen Piña Colada serviert wird, und der Freizeitstreß das einzige Problem ist.

Das durchschnittliche Arbeitslosengeld beträgt aber tatsächlich lediglich 9 000 S, die durchschnittliche Notstandshilfe lediglich 7 300 S. Wenn Sie nach Geschlechtern differenzieren, dann stellen Sie fest, daß bei Frauen das durchschnittliche Arbeitslosengeld bei 7 400 S und die durchschnittliche Notstandshilfe bei 6 300 S liegt.

Ich weiß nicht, ob man solche Beträge mit dem Wort "Hängematte" in Verbindung bringen kann, denn ich bin der Überzeugung, daß angesichts der Armutslage dieser Menschen und der darüber hinaus auch psychisch meistens sehr schlechten Verfassung von Langzeitarbeitslosen das Wort "Hängematte" mehrfach bösartig, aber möglicherweise mit einer christlich-demokratischen oder -sozialen Weltanschauung in Einklang zu bringen ist, weil es etwas "Romantisches" oder vielleicht "Nostalgisches" an sich hat.

Wir haben meiner Ansicht nach keinen Grund, diesen Sozialbericht leichtzunehmen, denn er bringt deutlich zum Ausdruck, daß unsere Wohlstandsgesellschaft an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gekommen ist, sich gerecht zu verhalten. Der Gesamtreichtum steigt durchaus, aber die soziale Lage verschlechtert sich tendenziell.

Das wird auch durch einen Blick auf die Einkommensverteilung deutlich: Das Volkseinkommen ist um 0,6 Prozent gestiegen, die Realeinkommen allerdings sind netto um 2,2 Prozent gesunken. Das heißt, es geht darüber hinaus auch noch eine Steuern- und Abgabenschere auf, und daß sich das besonders ungünstig auf die "Bewohner der sozialen Hängematte" auswirkt, möchte ich nur der Vollständigkeit halber noch einmal erwähnen.

Berücksichtigt man weiters, daß es keine echte Pensionsreform gegeben hat, die Pensionsbelastungsquote aber im Laufe der letzten Jahre von 593 über 601 auf inzwischen 616 gestiegen ist - das heißt 616 Pensionisten pro 1 000 Beschäftigte -, dann muß man sagen, daß es auch in diesem Punkt keinen Grund für allzu großen Optimismus und für Euphorie gibt.

So sieht es in Wahrheit aus: Pensionsproblematik - ungelöst!, Arbeitslosensituation - stagnierend bis ungelöst!, soziale Transfers - sinkend!, Verweildauer im Sozialsystem - sinkend!, rundherum sind Kürzungen angesagt.

Kollegin Reitsamer! Ich verstehe Sie, wenn Sie ein besonderes Augenmerk auf die Jugendarbeitslosigkeit richten, die Lehrlingsproblematik anschneiden und die geburtenstarken Jahrgänge ankündigen - das ist Demographie -, aber ich frage Sie: Wo sind die effizienten Antworten? (Abg. Reitsamer: Ich habe ja gesagt, daß noch ein Gesetz kommt!) Sie haben im letzten Jahr fast alle Mittel dafür eingesetzt, um die Jugendarbeitslosigkeit eines Jahres im Bereich der Lehrlinge abzufangen, was zugegebenermaßen verdienstvoll ist, aber Sie haben nun, im Folgejahr, keine Mittel mehr. (Abg. Reitsamer: Wir beschließen ja heute noch etwas!) Es wird zwar in diesen Tagen noch ein Gesetz zur Diskussion stehen, aber - glauben Sie mir das! - auch dieses Gesetz wird das Problem nicht lösen, sondern bestenfalls den Schmerz stillen. Ich sage nicht, daß es schlecht ist, den Schmerz zu stillen - ich will ja nicht, daß der Patient ohne Schmerztabletten auskommen soll -, aber wenn Sie die Symptome nicht in den Griff bekommen, dann werden Sie das Problem nicht lösen.

Frau Kollegin Reitsamer! Die von Ihnen erwähnte arbeitsrechtliche Absicherung würde ich gerne unterstützen. Aber gerade die arbeitsrechtliche Absicherung haben Sie teilweise dadurch unterlaufen, daß Sie in einer ganz bestimmten Form die freien Dienstverträge letztlich sozialversicherungsrechtlich mit den anderen Dienstverhältnissen gleichgestellt haben, statt zu erkennen, daß


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