Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 128. Sitzung / 21

Bedürfnisse zu haben - in Österreich Armut so definiert wird, daß das Einkommen die Hälfte des monatlichen Pro-Kopf-Durchschnittseinkommens unterschreiten muß. Das wollte ich eingangs sagen.

Aber ich möchte auch unterstreichen, daß wir - auch wir hier im diesem Hohen Haus - unser Augenmerk sehr wohl auf die am meisten betroffenen Gruppen lenken müssen. Es wurde schon gesagt, daß das nun einmal kinderreiche Familien, Alleinerzieherinnen-Haushalte, Arbeitslosenhaushalte - und es ist ganz schlimm, wenn es sich dabei um Langzeitarbeitslose handelt -, Haushalte von Kleinbauern und von kleinen Gewerbetreibenden, Gastarbeiterfamilien und vor allem auch Haushalte, von deren Mitgliedern Hilfsarbeit geleistet wird und die daher ein sehr niedriges Einkommen haben, sind. Verschärft wird die Situation meist noch dann, wenn es zur Scheidung kommt, wenn ein behindertes Kind in der Familie ist, wenn eine schwere Krankheit bei einem Familienmitglied auftritt oder wenn, was auch sehr oft vorkommt, Familien hoch verschuldet sind.

Es stimmt auch, daß heutzutage - das ist, glaube ich, positiv zu vermerken - Armut nichts mehr mit dem Alter zu tun hat. Wir konnten alten Menschen ihren Lebensabend wirklich derart absichern, daß sie nicht armutsgefährdet sind. Es sind aber sehr wohl zum Teil Kinder armutsgefährdet: 60 Prozent der armen Kinder leben in Haushalten mit drei und mehr Kindern oder in Alleinerzieherinnen-Haushalten. Zu den Alleinerzieherinnen-Haushalten möchte ich folgendes sagen: Meiner Meinung nach ist es sehr verwunderlich, daß die Hälfte aller Alleinerzieherinnen angibt, daß sie weder für sich noch für ihre Kinder Unterhalt von den Vätern ihrer Kinder bekommt. Ich glaube, Frau Ministerin, daß das auch etwas ist, was man eingehend diskutieren sollte.

Bei Mehrkinderfamilien ist es folgendermaßen: Je mehr Kinder da sind, desto schwieriger ist es, ein zweites Einkommen zu haben. Das heißt, die Mütter bleiben meistens zu Hause. Bei einem Kind sind immerhin noch 62 Prozent der Frauen berufstätig, ab drei Kindern nur noch 30 Prozent.

Der Armutsbericht zeigt auch, daß die Transfers in Österreich sehr wohl bei den ärmeren Familien ankommen. Das wird ganz deutlich aufgezeigt: Die untere Einkommenshälfte erhält 74 Prozent aller monetären Familientransfers, sie erzielt auch 78 Prozent der Arbeitslosenleistungen, Mietbeihilfen und Sozialhilfe gehen natürlich auch zu 88 Prozent in diesen Bereich. Das heißt, daß es eine sehr hohe Treffsicherheit gibt, gerade die unteren Schichten, die nur über ein niedriges Einkommen verfügen, wirklich zu fördern und ihnen zu helfen.

Ich würde mir auch wünschen, daß in Zukunft der Armutsbericht in den Sozialbericht aufgenommen wird. Dabei wünsche ich mir aber auch - wir haben das beim Unterausschuß zum Frauen-Volksbegehrens beschlossen -, daß es mehr geschlechtsspezifische Daten gibt. Es ist auffallend, daß man betreffend Familien, die armutsgefährdet sind, aus diesem Bericht nicht herauslesen kann, wer in der Familie Mittel zur Verfügung hat, welche Familienmitglieder über welches Einkommen und über welches Geld verfügen können.

Ich möchte jedoch schon darauf verweisen, daß wir seit dem Berichtszeitraum 1996 des vorliegenden Berichtes, in welchem diese Daten ausgewiesen sind, sehr wohl viele Lösungsansätze gefunden haben, um die Armut in Österreich einzudämmen. Ich glaube, daß das für uns alle oberstes Ziel ist. Die Familiensteuerreform, die künftig 6 000 S mehr pro Kind bringen wird, ist ein ganz wichtiger Schritt für Mehrkinderfamilien. Es wird damit auch eine bessere Unterstützung für Alleinerzieherinnen geben. Auch der Nationale Aktionsplan für Beschäftigung wird natürlich dazu beitragen, daß es in Österreich weniger Arbeitslose geben wird.

Ich wünsche mir allerdings, daß auch im Frauenbereich und im Bildungsbereich einiges passiert, denn der Armutsbericht zeigt auch folgendes eindeutig auf: Je schlechter die Ausbildung ist, desto größer ist die Gefahr, in die Armutsfalle zu geraten. Ich wünsche mir auch ausreichende Möglichkeiten zur Kinderbetreuung, damit Vereinbarkeit von Berufstätigkeit beziehungsweise Teilzeitbeschäftigung und Familie - vor allem für Frauen - ermöglicht wird. Ich meine, daß der Kampf gegen die Armut ganz oben auf der Tagesordnung stehen muß.


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