Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 128. Sitzung / 24

Frau Bundesministerin! Sollen es vielleicht 2 oder 3 Milliarden Schilling sein? Wir wissen beide, daß auch 2 oder 3 Milliarden Schilling für 400 000 Menschen zuwenig sind. Damit kann man Armut auch nicht bekämpfen. Das ist nicht ausreichend. 2 bis 3 Milliarden Schilling für 400 000 Menschen "leistet" sich diese Republik!

Ich habe mir den Luxus geleistet, diese Zahl aus Österreich mit der mir einzig verfügbaren aus der Bundesrepublik Deutschland zu vergleichen. Dort ist das Sozialsystem ähnlich konstruiert wie in Österreich; es ist zwar nicht identisch, aber weitgehend gleich. Es läßt sich sehr gut in bestimmten Positionen vergleichen. Ich weiß, daß in Deutschland die Arbeitslosenrate wesentlich höher ist, aber bei der Sozialhilfe - das heißt, sie werden unterstützt - landen in der Bundesrepublik Deutschland über zweieinhalb Millionen Menschen. Diese erhalten Unterstützungsleistungen aus der bundesdeutschen Sozialhilfe, und aufgewandt wird ... (Abg. Gatterer: Es ist klar, daß dort mehr Leute sind ...!) - Auch wenn man die besondere Situation der Notstandshilfebezieher - dort heißt es: Arbeitslosenhilfebezieher - und ihren Weg in das Sozialhilfesystem berücksichtigt, bleiben noch ganz andere Zahlen übrig. Wirklich, man sollte sich das anschauen!

In der Bundesrepublik Deutschland wird für diese zweieinhalb Millionen Menschen eine Summe von zirka 200 Milliarden Schilling ausgegeben. Umgerechnet auf Österreich hieße das: Österreich müßte für diese Personengruppe 20 Milliarden Schilling aufwenden. Das wäre ein Betrag, der ungefähr dazu geeignet wäre, ihnen einen Mindestlevel zu ermöglichen, eine Sozialhilfe, von der man auch leben kann. Diese gibt es jedoch in Österreich nicht. Das ist das eigentliche Problem, das meiner Ansicht nach aus diesem Sozialbericht schlußzufolgern wäre. Wir haben es nach wie vor mit ganz gravierenden Mängeln im Bereich der Armutsbekämpfung zu tun.

Damit komme ich jetzt zum Kollegen Kier. Kollege Kier hat gemeint, im Zentrum der Sozialpolitik solle die Armutsbekämpfung stehen. - Das ist eine ganz schwierige Aussage. Ich meine das nicht! Auch wenn ich glaube, daß gerade jetzt unter den besonderen Bedingungen in Österreich, daß sich die Armut nämlich langsam wieder in den Fugen des sozialen Netzes ausbreitet, Armutsbekämpfung und Armutspolitik notwendig sind, meine ich nach wie vor, daß es die primäre Aufgabe der Sozialpolitik wäre, soziale Kohäsion zu schaffen.

Wenn ich mir unter diesem Aspekt die Daten des Sozialberichts anschaue, wenn ich mir anschaue, wieviel aus den sozialen Sicherungssystemen, die nicht Pensionssicherungssysteme sind, umgeschaufelt wird, wie da der soziale Transfer von Familienleistungen, von Arbeitslosengeldern, von Krankenkassen und so weiter in Richtung Pensionsversicherung geht - es gibt auch einen umgekehrter Transfer -, muß ich feststellen, daß netto trotzdem die Pensionsversicherung als die absolut begünstigte Gruppe übrigbleibt. Es ist nichts dagegen zu sagen, daß Pensionisten eine ausreichende Pension erhalten sollen. Aber wenn sich das soziale System auf Kosten bestimmter Gruppen ernährt und andere Gruppen, denen zuwenig bleibt, nicht mehr mit einbezogen werden können - und da erwähne ich beispielsweise die NotstandshilfebezieherInnen, die im Durchschnitt, wenn es Frauen sind, mit weniger als 7 000 S auskommen müssen, die von 4 000, 5 000 oder 6 000 S leben müssen und daneben kein weiteres Einkommen haben -, und wenn ich sehe, daß 100 000 Menschen mit geringeren Leistungen, als sie mit der Sozialhilfe und mit der Ausgleichszulage für Pensionisten möglich sind, übrigbleiben, dann muß ich sagen: Es besteht überhaupt kein Grund, diesem österreichischen Sozialsystem - trotz der unbestrittenen Leistungen in den letzten Jahrzehnten - ein positives Zeugnis für die letzten Jahre auszustellen!

Das ist das eigentliche Problem und für uns auch der Grund, warum wir diesen Sozialbericht nach wie vor ablehnen müssen: nicht wegen der guten Arbeit, sondern wegen der schlechten Politik der Bundesregierung in zentralen Fragen der Sozialpolitik in den letzten Jahren. (Beifall bei den Grünen.)

18.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hums. - Bitte.

18.41

Abgeordneter Franz Hums (SPÖ): Sehr geehrte Damen! Sehr geehrte Herren! Wir konnten heuer ein Budget mit Euro-Qualität beschließen und haben damit dafür gesorgt, daß Österreich


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