Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 128. Sitzung / 50

20.32

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP): Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Ich habe mir gedacht: Was werde ich heute zu diesem Thema sagen? Über die Lehrlinge sprechen wir sehr oft, und in Wahrheit ... (Abg. Mag. Peter: Was machen Sie in Ihrem Unterausschuß?)

Herr Abgeordneter Peter, bitte lassen Sie mich aussprechen! Sie haben nachher noch Gelegenheit zu reden.

Wir kennen die Problematik: Wir kommen bei verschiedenen Verhandlungen nicht wirklich weiter. Ich bin Ihnen, Herr Abgeordneter Nürnberger, dankbar, daß Sie zu Beginn Ihrer Ausführungen gesagt haben, daß Sie sich zum dualen Ausbildungssystem bekennen. Ich weiß, daß Sie persönlich sich dazu bekennen, und ich weiß, daß sich auch Präsident Verzetnitsch dazu bekennt. Teilweise bekennt man sich innerhalb Ihrer Fraktion aber nicht zu diesem System. In diesem Punkt gibt es eine Spaltung in Ihrer Fraktion. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni.)

Sie wissen, wie wichtig es für die jungen Menschen ist, daß wir dieses Ausbildungssystem haben. Und ich bin dankbar dafür, daß Abgeordneter Eder in unserem Unterausschuß darauf aufmerksam gemacht hat, daß wir oft vergessen, daß die jungen Menschen, die in die Betriebe kommen, in unterschiedlichen Entwicklungsphasen stecken. Es gibt Abgeordnete in Ihrer Fraktion, Herr Abgeordneter Nürnberger, die offen zugeben, daß es ihnen wesentlich lieber wäre, das ganze System der Lehrlingsausbildung zu verschulen.

Das macht mich persönlich betroffen, und zwar deshalb, weil man offenbar an die jungen Menschen überhaupt nicht denkt und sie eigentlich nicht kennt. Denn bekanntlich gibt es junge Menschen, die unter keinen Umständen in die Schule gehen wollen. Es gibt Lehrlinge, die nicht in die Berufsschule gehen wollen. Gott sei Dank sind die Lehrkräfte in der Berufsschule heute soweit, daß sie den Lehrherrn oder die Lehrfrau, also den Ausbildner verständigen, wenn die jungen Menschen nicht kommen.

Was wollen wir? - Wir wollen, daß für die jungen Leute verschiedene Möglichkeiten zur Ausbildung geschaffen werden und daß man auf die Fähigkeiten der jungen Menschen eingeht. Herr Dr. Antoni! Es gibt verschiedene Fähigkeiten. Viele junge Menschen haben eher praktische Anlagen, und diese Fähigkeiten soll man nutzen. Diese kann man nur in einem Betrieb erlernen - zusätzlich natürlich in der Berufsschule. - Das ist das eine.

Ein zweiter Aspekt ist mir ebenfalls enorm wichtig, denn in diesem Zusammenhang geht es um soziales Verständnis. In Großbetrieben sucht man sich Lehrlinge aus, viele der jungen Leute bleiben aber sozusagen auf der Straße. Diese jungen Leute werden dann von Klein- und Mittelbetrieben aufgenommen. Daher kämpfe ich darum, daß man dort Erleichterungen schafft. Denn viele Klein- und Mittelbetriebe - nicht alle, es gibt überall solche und solche - bemühen sich um die jungen Leute und versuchen, sie zu integrieren. Manchmal gibt es Schwierigkeiten, und dann haben wir miteinander Schwierigkeiten, wenn es um die Auflösung eines Lehrvertrages geht. Daher haben wir mit der Einführung einer Schiedsstelle einen ersten Schritt gemacht.

Worum geht es mir? - Ich will nicht, daß den jungen Leuten Jahre gestohlen werden. Wenn sich in einem Betrieb herausstellt, daß sich ein Lehrmädchen oder ein Lehrbursche für einen Beruf nicht eignet, dann sollten diese die Möglichkeit haben, umzusteigen und anderswo etwas anderes zu lernen. Wenn Menschen nicht miteinander harmonieren und es Schwierigkeiten gibt, dann tut man den jungen Menschen nichts Gutes, wenn man ihnen nicht die Möglichkeit gibt, das Lehrverhältnis zu lösen, um es in einem anderen Betrieb zu versuchen. Es geht in diesem Zusammenhang um menschliche Probleme, und ich bin froh darüber, daß man nun endlich eine Schiedsstelle schafft. Denn jetzt haben wir die Möglichkeit, im Sinne der Menschlichkeit der Sozialpartner vorzugehen.

Frau Kollegin Schaffenrath! Auch die Schaffung der Vorlehre ist so zu verstehen, daß man zu berücksichtigen versucht, daß Menschen unterschiedliche Begabungen haben und unterschiedliche Reifeprozesse durchlaufen. Ich sage ganz offen, daß ich nicht ganz glücklich bin, daß


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