Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 133. Sitzung / Seite 189

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Meine Damen und Herren! Diese Frage muß gestellt werden, um Antwort auf die Frage bezüglich der Sekten zu finden. Allerdings ist dies bis heute nicht geschehen. Auch die jüngst herausgegebene Broschüre des Familienministeriums gibt darauf keine Antwort. Diese Broschüre vermittelt vielmehr die Selbstgerechtigkeit der Mehrheitsreligion unseres Landes, die unter anderem dazu geführt hat, daß zum Beispiel der Buddhismus hierzulande erst seit kurzer Zeit anerkannt ist.

Meine Damen und Herren! Seit 1996 befaßt sich rund ein Drittel der Familienberatungsstellen in den Bundesländern mit Sektenfragen. Ob Ergebnisse vorliegen, ist zumindest mir nicht bekannt. Mit der heutigen Beschlußfassung zum vorliegenden Gesetzentwurf soll nun weiters eine Bundesstelle für Sektenfragen eingerichtet werden, um Material über Sekten und sektenähnliche Aktivitäten zu sammeln und die Bevölkerung darüber zu informieren, welche Gefährdungen von ihnen ausgehen können. So weit, so gut – wenn man Kosten von 6 Millionen Schilling dafür als gerechtfertigt ansieht.

Was mir allerdings nicht in den Kopf will, ist, daß noch im ersten Regierungsentwurf die Großkirchen mit einbezogen waren, in der neuen Version des vorliegenden Bundesgesetzes die katholische Kirche jedoch von jedem Verdacht freigesprochen wird. Denn in § 1 heißt es jetzt – ich zitiere –: "Auf gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen findet dieses Gesetz keine Anwendung." – Zitatende.

Warum nicht?! Kann man wirklich über jeden Verdacht erhaben sein, wenn es auch in den eigenen Reihen umstrittene Gruppierungen gibt, bei welchen selbst namhafte Kleriker immer wieder grobe Unzulässigkeiten anprangern? – Bei den Großkirchen gibt es jetzt also keine Untersuchung, kein Durchleuchten von Freiheitsentzug und so weiter. Einem solchen Gesetz kann man doch nicht zustimmen, ohne in den Verdacht zu kommen, mit zweierlei Maß zu messen.

Ein weiterer wichtiger Punkt der Ablehnung ist für uns Liberale auch das schwerwiegende Problem des Datenschutzes. Herr Minister Bartenstein! Ihre Aussage im Ausschuß, daß die Sorge betreffend den Datenschutz übertrieben sei, kann und will ich nicht nachvollziehen. Sie kennen wie wir die Stellungnahme des Datenschutzrates und dessen Feststellung, daß eine generelle Sammlung von Informationen über Sekten nicht verfassungskonform ist, sondern vielmehr den Vorwurf staatlicher Gesinnungsschnüffelei begründen könnte. Auch seien die Ausnahmebestimmungen für anerkannte Kirchen, die bei dieser Sammlung fehlen, nicht begründbar. Nach Auffassung des Datenschutzrates handelt es sich dabei um eine nicht rechtfertigbare Ungleichbehandlung. Herr Minister! Ich weiß nicht, warum Sie darüber einfach hinweggehen.

Der Datenschutzrat zeigt sich auch höchst verwundert darüber, daß es keine klare Definition gibt, was eine Sekte ist, und wie schwammig der Katalog der vermuteten Gefährdung ausgefallen ist, über den die Bevölkerung informiert werden soll.

Für uns Liberale stellen sich außerdem noch weitere Fragen: Was geschieht mit den Daten von Personen, wenn sich herausstellt, daß sie doch keiner Sekte angehören? Obliegt es der Beurteilung durch die Bundesstelle, ob in bezug auf eine Gruppierung der begründete Verdacht besteht, eine Sekte zu sein oder sektenähnliche Aktivitäten zu entwickeln?

Meine Damen und Herren! Herr Minister! Sie müssen zugeben, daß eine intensive Überwachung in dieser Art und Weise zu einem echten Datenschutzproblem wird. Diese Auffassung vertritt auch der Datenschutzrat, der darüber hinaus auch zu bedenken gibt, daß der Bundesstelle für Sektenfragen in Zukunft polizeiähnliche Nachforschungsbefugnisse zugestanden werden, die dort agierenden Angestellten jedoch nicht einmal dem Beamtendienstrecht und damit auch nicht der Verschwiegenheitspflicht unterliegen.

Ich möchte daher festhalten, daß für uns Liberale diese Art von Sektenberatung sowohl inhaltlich wie auch methodisch mehr als umstritten ist. Und auch die Idee, Sektenopfer zu einer Beratungsstelle zu holen, ist zumindest in England bereits als sinnlos erkannt worden. Gemäß dieser Erkenntnis wurde dort eine Dokumentationsstelle für neue religiöse Vereinigungen eingerichtet, die Interessierten objektives Informationsmaterial und Aufklärung über Gefahren und Risken ohne sozialen Druck und auch ohne Ratschläge zu erteilen zur Verfügung stellt. Dem könnten


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