Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 141. Sitzung / 101

daß diese Frage in dem Sinne europäisiert wird, indem sie mit dem EU-Beitritt verknüpft wird. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wenn es anders nicht geht!)

Meine Damen und Herren! Die folgende Frage muß nicht nur zulässig sein, sondern sie ist auch sinnvoll zu prüfen, nämlich jene, ob historisches oder auch noch teilweise aktuelles Unrecht im Inneren eines Landes durch Druck von außen wirklich bewältigt werden kann, ob der wirtschaftliche Zwang, der Druck bei der Integration zu einer inneren Einsicht führen kann. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wenn es nicht anders geht!)

Wir Sozialdemokraten halten es für falsch (Abg. Mag. Stadler: Dann müßte man auch den Milošević gewähren lassen!), die berechtigte Forderung nach Einsicht des Unrechts an den Sudetendeutschen – ich sage dazu: auch an den Gotscheer Deutschen – unberechtigterweise mit der Frage der EU-Mitgliedschaft zu verknüpfen. Wir sind deshalb auch völlig einer Meinung mit dem, was von zahlreichen Vertretern Österreichs dazu gesagt wurde. Auch Bundeskanzler Klima hat vor 14 Tagen sehr klar gesagt, daß die Frage der Sudetendeutschen nicht mit der Frage des Beitritts der Tschechischen Republik zur EU verknüpft werden soll. (Beifall bei der SPÖ.)

Viertens, meine Damen und Herren: Die rechtlichen Ausführungen im Hinblick auf die EU-Mitgliedschaft und die Behandlung der Frage im Avis sind bereits vom Herrn Außenminister erläutert worden. Sosehr ich der Meinung bin, daß dies keine Frage beim Beitritt sein soll, so sehr bin ich natürlich dafür, daß diese Frage auch innerhalb der Europäischen Union weiterbehandelt wird. Sie sollte aber nicht zu einer entscheidenden Voraussetzung dafür werden, ob man jemanden in die EU aufnimmt oder nicht.

Und das bringt mich schon zum fünften Punkt: Auch im Europarat ist ähnlich vorgegangen worden. Es ist dies nicht zu einer Frage des Beitritts gemacht worden. Selbstverständlich besteht aber die Möglichkeit, im Monitoring-Verfahren, in Klagen beim Europäischen Gerichtshof, vor der Kommission Beschwerden – es sind ja auch welche anhängig – in der Frage der Minderheitenrechte vorzubringen, all das zu relevieren. Dies ist ja auch bereits von Abgeordneten in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates geschehen.

Sechstens: Ich glaube, es ist gut, wenn man in Beziehungen zu Nachbarstaaten, mit denen man befreundet ist, nicht mit der Rute der Nichtmitgliedschaft droht, um etwas zu bewältigen. Ich halte die Äußerung von Bundeskanzler Klima für richtig, daß hiezu Historikerkommissionen arbeiten sollen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Alles auf die lange Bank schieben!) Ich halte für richtig, was Schüssel dazu gesagt hat, daß er sich bemüht, mit dem Kulturabkommen etwas zu bewegen. Es ist wichtig, daß wir hiefür Verständnis erwecken. Und es dient das auch der Sache der Betroffenen mehr, als wenn man mit einer Rute drohen würde.

Siebenter Punkt: Meine Damen und Herren, es besteht auch da eine Verpflichtung Österreichs, selbst etwas zu tun und mitzuhelfen, damit die Sudetendeutschen in ihrer Kultur, in ihrer Tradition, in ihrer Identität erhalten bleiben können. Österreich hat in dieser Angelegenheit auch selbst eine Vergangenheit zu bewältigen. Wir wissen, welche unguten Äußerungen 1945 gefallen sind, etwa dahin gehend: Sollen sie doch nach Deutschland gehen!, ausgehend von Figl und von anderen, die sich in Richtung einer selektiven Aufnahme äußerten. Österreich hat da auch selbst etwas zu bewältigen, tut es auch und dient damit auch dieser Sache.

Achtens und letztens, meine Damen und Herren: Ich habe mich gefragt, worin die Dringlichkeit dieser Anfrage liegt. Natürlich kann man immer sagen, so ein Thema ist dringlich, aber neben dieser allgemeinen "Dringlichkeit": Worin liegt die spezielle Dringlichkeit, daß dieses Thema in diesen Tagen und in diesen Wochen vorgebracht wird. (Abg. Dr. Graf: Österreich hat den EU-Vorsitz! Deswegen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Im Jänner 1996 hätte der Beginn der Verhandlungen mit Tschechien einen Anlaß geboten, im Juni 1996 jener mit Slowenien. Im Juli 1997 wäre anläßlich des Avis ein Zeitpunkt gewesen. (Abg. Mag. Stadler: Wir haben die Anträge eingebracht! – Abg. Dr. Graf: Wir haben das jedes Jahr gemacht!) Im Dezember 1997, als der Europäische Rat die Beschlüsse faßte, und im März, als die bilateralen Verhandlungen begannen, hätten sich ebenso Anläße dafür geboten. Warum


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