Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 142. Sitzung / 13

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Im Hinblick auf die für heute einberufene Fragestunde beginne ich nunmehr – um 9.03 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die 1. Anfrage – 224/M – an den Herrn Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten formuliert Herr Abgeordneter Dr. Haider. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Herr Vizekanzler und Bundesminister! Meine Frage lautet:

224/M

Welche konkreten Schritte werden Sie wann setzen, daß vor einem Beitritt der Tschechischen Republik und Sloweniens zur Europäischen Union die völkerrechts- und menschenrechtswidrigen Gesetze und Bestimmungen in diesen Ländern aufgehoben werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Wir haben gestern im Rahmen einer Dringlichen Anfrage sehr ausführlich über dieses Thema des unermeßlichen Leids gesprochen, das den Heimatvertriebenen nach 1945 in verschiedenen Teilen Europas zugefügt wurde, etwa in der damaligen Tschechoslowakei oder auf dem Gebiet der früheren Sozialistischen Republik Jugoslawien.

Ich habe gesagt, daß wir durch ein Bündel von Maßnahmen auf der europäischen Ebene, durch die Unterstützung der Beitrittsbemühungen dieser Länder versuchen wollen, eine Europäisierung der Rechtsordnung herbeizuführen, was dann auch den Rechtszug an den Europäischen Gerichtshof oder durch die Ratifizierung von entsprechenden internationalen Abkommen – was mittlerweile erfolgt ist im Fall Tschechien; im Falle Slowenien steht es noch aus – den Rechtszug an den Europäischen Gerichtshof der Menschenrechte ermöglicht. Im Rahmen der Heranführungsstrategie sollen auch die nationalen Rechte angepaßt werden.

Dazu gehört aber auch – und das muß offen gesagt werden –, daß es, was diese unmittelbaren Dekrete betrifft, auf die sich die Rechtsordnungen ja indirekt immer noch beziehen – jedenfalls haben sie die Kontinuität nicht unterbrochen –, schwierig ist, diese direkt in den Verhandlungen anzusprechen. Daher habe ich mir jedenfalls bei jedem bilateralen Treffen mit den Außenministerkollegen Tschechiens und Sloweniens vorgenommen, diese Fragen anzusprechen.

Es muß klarerweise auch zu einem Aufarbeitungsprozeß in der Geschichte dieser Länder kommen, und dankenswerterweise gibt es dort auch Bewegung. Ich darf, wie ich es gestern schon getan habe, daran erinnern, daß etwa der tschechische Präsident Václav Havel sehr klare Worte dahin gehend gefunden hat, daß das damalige Vorgehen absolut unmoralisch gewesen ist. Diese Art der Aufarbeitung der Geschichte wird über kurz oder lang dazu führen, daß auch diese Dekrete aus der Rechtsordnung verschwinden. Das ist meine Hoffnung, und ich werde daran arbeiten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Herr Vizekanzler! Die Situation mit den AVNOJ-Beschlüssen in Slowenien und mit den Beneš-Dekreten stellt sich offenbar für die beteiligten Staaten unterschiedlich. Der Präsident von Slowenien hat allen anderen slowenischen Politikern voran vor einigen Monaten in einer öffentlichen Erklärung klargemacht, daß die AVNOJ-Beschlüsse aus der Tito-Ära, die die Heimatvertriebenen sozusagen für vogelfrei erklären, nach wie vor in Kraft sind und auch nicht Gegenstand von Verhandlungen sein können.


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