Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 142. Sitzung / 19

223/M

Wie wollen Sie Ihre bei der UN-Generalversammlung in New York geäußerte ”persönliche Meinung”, daß der jugoslawische Präsident Slobodan Milošević auf die Liste der als Kriegsverbrecher anzuklagenden Personen gesetzt werden soll, zu einer gemeinsamen Linie der Europäischen Union machen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Vizekanzler.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ich muß nur die Frage korrigieren. Ich habe nicht bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen eine solche Erklärung abgegeben – dort habe ich die akkordierte Rede der Europäischen Union gehalten, in der das überhaupt nicht vorkommt –, sondern ich habe auf eine Anfrage eines österreichischen Radioreporters diese meine persönliche Meinung gesagt. Dazu stehe ich auch hundertprozentig.

Ich sage Ihnen auch, wie so etwas funktioniert: Wir haben derzeit das internationale Tribunal gegen Kriegsverbrechen in Den Haag. Es gibt ein eigenes Statut dieses Kriegsverbrechertribunals, und nach diesem Statut kann – da es sich hier um ein unabhängiges Gericht mit einem unabhängigen Ankläger handelt – niemand dieses Gericht oder diesen Ankläger von außen zu etwas bringen, außer der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Was man tun kann und was ich natürlich auch gemacht habe, ist, alle relevanten Informationen über die Massaker, über die behaupteten oder gefundenen Massengräber, über die humanitären Verbrechen, in einer Dokumentation diesem internationalen Kriegsverbrechertribunal zur Verfügung zu stellen, und dieses Tribunal nimmt dann in einer nichtöffentlichen Prozedur die Dinge auf oder nicht auf – wobei die Anonymität der Behandlung sogar sehr klug ist, denn damit ist eigentlich auch eine größere Effizienz dieses Kriegsverbrechertribunals sichergestellt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Wie stellt sich Österreich im Falle, daß es zu einem Eingreifen der NATO ohne Sicherheitsratsbeschluß kommen sollte, zu einem eventuellen Ansuchen bezüglich des Überfluges oder des Durchfahrens von Militärinstrumentarium der NATO?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Da es derzeit noch keinen Beschluß der NATO gibt und da ich auch keine Informationen darüber habe – der EU-Vorsitz ist in diese Dinge nicht eingebunden, und wir sind auch kein NATO-Mitglied –, kann ich diese Frage nicht kommentieren.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Schieder, bitte.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Das Mikrophon geht nicht. (Abg. Jung: Freilich geht es! Wir hören!)

Herr Bundesminister! Wer müßte, da Sie sehr strenge Kriterien dafür anwenden, wer als Kriegsverbrecher zu bezeichnen ist, indem Sie nämlich auch das Verhalten im eigenen Land unter Sanktion stellen, unter den Staatsoberhäuptern dieser Welt Ihrer Meinung nach noch als Kriegsverbrecher angeklagt werden? (Abg. Schwarzenberger: Das ist eine Frage! – Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist aber eine schwere Frage!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Die Fragestunde würde nicht ausreichen, um das wirklich seriös zu beantworten. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schieder. – Abg. Wabl: Schriftlich beantworten, bitte! – Abg. Rauch-Kallat: Kurz und diplomatisch!)


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