Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 146. Sitzung / 58

Der kaltblütige Plan zur Ausrottung von Juden, der mit Elan und Mithilfe vieler Mitmenschen schnell durchgesetzt wurde, findet nirgends Parallelen! Ihr Vermögen erhielten die Juden selten zurück – selbst nach 1945 nicht. Man setzte das Unrecht fort und tat auch wenig, zuwenig für die in bitterer Armut lebenden Emigranten. Diese standen viele Jahre nach der Shoa noch so unter Schock, daß sie aus Angst, man könnte es ihnen übel nehmen und eventuell Antisemitismus erwecken, selten wagten, für ihr Recht zu kämpfen. Die Überlebenden fühlten sich schuldig, überlebt zu haben. Sie konnten den Verlust von Familien und Freunden niemals überwinden und lebten mit maximaler Verdrängung weiter.

Trotz allem liebten sie dieses Österreich. Sie liebten Wien und träumten davon, die geliebte Stadt wiederzusehen. Das war für sie mit unerhörten psychischen Belastungen und auch Zusammenbrüchen verbunden. Wollten sie ihre Wohnungen sehen, ließen sie die Ariseure selten hinein, und wenn es doch geschah, sahen sie dort ihr Eigentum stehen. Viele konnten sich den Traum, Wien wiederzusehen, niemals erfüllen. Sie konnten in ihrer neuen Heimat mit ihren erlernten Berufen schwer Fuß fassen, und die Kosten für eine solche Reise überstiegen ihre Möglichkeiten. Viele Jahre schwiegen und verdrängten die Überlebenden. Manche suchten erst jetzt psychologische Betreuung, sei es bei Esra, sei es bei Amcha oder ähnlichem, auf. Die Kinder wußten oft gar nicht, daß sie Kinder von Juden waren. Sie erhielten erst sehr spät Auskunft über die Shoa und Antworten auf ihre Fragen.

Es wuchs eine neue Generation heran, eine, die sich nicht schuldig fühlte, daß ihre Eltern überlebten, und sie entwickelte ein neues Selbstbewußtsein. Sie wußte aber auch, Antisemitismus kann man durch sogenanntes Wohlverhalten, durch Verzicht auf die Rechte nicht vermeiden, und sie meldete Anspruch auf ihre Rechte an. Es wuchs aber auch eine neue Generation von den Kindern derer, die anders lebten, heran, auch jener, die sich fragten: Wie konnte das geschehen, wieso habt ihr es nicht verhindert? Und so haben wir heute eine neue Zeit, daß wir jetzt endlich diese Gesetze beschließen können. Denn eine Demokratie kann es sich moralisch nicht leisten, das Unrecht einer verbrecherischen Diktatur anzuerkennen und zum Recht zu erklären!

Jene, die die nötige Distanz haben und wissenschaftlich durch namhafte Historiker aufgeklärt sind, fühlen sich verpflichtet, gestohlenes Gut zurückzugeben und auch Arbeitsleistungen zu bezahlen. Eine demokratische Republik kann sich eines Besitzes, der ihr auf so grauenhafte Weise zufiel, nicht erfreuen. Ein Land muß auch zugeben können, welche Verbrechen hier möglich waren, und wenigstens den materiellen Schaden wieder rückerstatten. Selbst die großen christlichen Kirchen Österreichs bekennen sich im 60. Jahr nach dem Anschluß zwar nicht schuldig, aber nicht frei von Schuld an dem, was zur Shoa letztendlich führte, und daran, nichts zur Verhinderung beigetragen zu haben.

Meine Damen und Herren, sagen Sie nicht, es wäre unmöglich gewesen, dies alles zu verhindern! Schauen Sie sich nur das Beispiel Dänemark an: Die dänische Bevölkerung hat ihre Juden gerettet.

Wir wollen unsere Museen niemals mehr mit geraubtem Gut schmücken und nicht Nutznießer geraubten Geldes und Goldes sein. Wir wollen den Eigentümern rückerstatten, was ihnen gehört, und mit der Vergangenheit ins reine kommen. Unrecht fortzusetzen ist für uns kein demokratischer Grundsatz. All jene Güter, die nicht mehr rückerstattbar sind, weil die Eigentümer unauffindbar oder tot sind, sollen dem Nationalfonds übereignet werden.

Wir wollen damit jenen, die arm waren und arm blieben, helfen. Die Übertragung des österreichischen Restanteils am Goldpool auf den Internationalen Fonds für Opfer des Nationalsozialismus wird ermöglicht. Dieses Gold ist nicht nur Währungsgold von 1938, wie vorher ausgeführt, sondern laut Regierungsvorlage 1429 auch Gold, das individuellen Opfern geraubt wurde. Man hat ihnen aber nicht nur Bankgold und Schmuck geraubt. Es war viel schlimmer: Die Goldzähne wurden Häftlingen und Vergasten, die einer größtmöglichen "wirtschaftlichen Verwertung" zugeführt wurden, aus dem Mund, die Ringe von den Fingern gerissen. Diese Mittel aus dem Raubgold werden den Opfern zugute kommen.


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