Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 146. Sitzung / 62

(3) Der Fonds kann auch Projekte unterstützen, die direkten und indirekten Opfern des Nationalsozialismus zugute kommen, der wissenschaftlichen Erforschung des Nationalsozialismus und des Schicksals seiner direkten und indirekten Opfer dienen, an das nationalsozialistische Unrecht und an das Unrecht der Entrechtung und Verfolgung von Altösterreichern und ihrer Aussiedlung und Vertreibung aus ihrer angestammten Heimat als mittelbare Folge des nationalsozialistischen Unrechts erinnern oder das Andenken an alle diese Opfer wahren.

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Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.09

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Materien, die hier zur Verhandlung anstehen, haben eine größere Tiefe, als dies in den Papieren sichtbar wird. Es ist jetzt ein Kapitel aufgeschlagen worden, bei dem wir beginnen, eigene Versäumnisse, eigene Fehler und bestenfalls positivistisch rechtmäßige Verhaltensweisen – aber sicher nicht in einem Verständnis von Anständigkeit – der Zweiten Republik aufzuarbeiten. Wir arbeiten heute nicht so sehr Probleme auf, die wir als Folgen des Nationalsozialismus vorgefunden haben, es handelt sich jetzt vielmehr um ein Kapitel, bei dem wir als Republik Österreich seit 1945 in einer auch selbstverantworteten kontinuierlichen historischen Verbindung stehen, mit – ich sage es einmal vorsichtig – Denkfehlern, die passiert sind.

Man war nämlich zum Beispiel im Jahre 1945 der Meinung, ein Gesetz, das im Jahre 1918, in der Stunde der Gründung dieser Republik, geschaffen wurde, um zu verhindern, daß Kunstgüter im beliebigen Ausmaß davongeschafft werden können, nämlich das Ausfuhrverbotsgesetz, als Mittel anwenden zu sollen, um Schenkungen von Leuten zu erzwingen, die aus dem Territorium dieser Republik gewaltsam vertrieben wurden oder gerade noch entkommen sind und hier einen ganz anderen Anspruch gehabt hätten. Daher meine ich, daß diese aus moralischer Sicht doppelbödige Verhaltensweise der ersten Jahre der Zweiten Republik langsam zu sanieren sein wird – natürlich kausal verursacht durch das Unrecht, die Unrechtstatbestände, die vorgefunden wurden, nachdem die Republik wiederausgerufen war. Aber ich meine, diese Diskussion ist noch nicht ganz zu Ende, sie wird noch gründlicher zu führen sein.

Kollegin Stoisits hat ja schon zwei Anträge eingebracht, die mit der Materie, die wir heute diskutieren, in Zusammenhang stehen. Ich möchte einen weiteren Antrag, den ich mit ihr gemeinsam hier vorlege, einbringen, und zwar einen, der sich damit beschäftigt, wer denn der Personenkreis von Opfern im Zusammenhang mit diesen Problemen ist, die wir hier besprechen – ich komme auf diesen Aspekt später noch zurück –, ob es logisch und konsequent gewesen ist, daß wir bei der Beschlußfassung über das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus eine zehnjährige Aufenthaltsfrist vorgesehen hatten, oder ob uns dabei nicht ein Fehler insofern unterlaufen ist, als wir gedankenloserweise der Meinung waren, daß auch in den Jahren 1933 und 1934 in Österreich die zehnjährige Anspruchsfrist für die Erlangung der Staatsbürgerschaft bestanden hat, so wie wir sie heute haben. – Wir haben einfach übersehen, daß die damalige Rechtslage eine ganz andere war und daß im Bundesgesetzblatt 285/1925 in der Fassung des Bundesgesetzblattes 369/1933 eine vierjährige Frist vorgesehen war.

Daher stellen Kollegin Stoisits und ich folgenden Antrag:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Schmidt, Dr. Kier, Mag. Stoisits und PartnerInnen betreffend den Bericht des Verfassungsausschusses 1469 der Beilagen, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird


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