Worum geht es im Einzelfall? – Es gibt derzeit zwei Vorhaben, die zentrale Themen in der Justizpolitik sind, die in der Zwischenzeit auch zentrale Themen in der öffentlichen Diskussion geworden sind, die allerdings aus den Gründen, die ich vorhin erwähnt habe, nicht zentrale Punkte in der Diskussion in diesem Haus sind, und das ist in dieser Form nicht akzeptabel.
Eines dieser Vorhaben ist die sogenannte Diversion. Das ist eine der Maßnahmen, die vor allem einer umfangreichen Umsetzung des Opferschutzes dienen soll. Wir haben in der Vergangenheit im Rahmen des Justizausschusses eine Vielzahl von Bestimmungen, von gesetzlichen Änderungen beschlossen und verabschiedet, die erhebliche Schritte in Richtung einer verbesserten Stellung der Opfer in Strafrechtsfällen darstellen. Wir haben aber den letzten Schritt, der es möglich machen würde, den Richtern, die das tagtäglich anwenden müssen, ein effizienteres Instrument in die Hand zu geben, bis jetzt nicht durchgeführt.
Daher sieht der Entwurf der Diversion eine Reihe von Möglichkeiten für Richter vor, anders auf Straftaten zu reagieren, als das bis jetzt der Fall ist.
Ich halte fest: Der Staat hat im Rahmen seines Gewaltmonopols – nur der Staat ist dazu berechtigt, Gewalt anzuwenden – den Auftrag, strafbare Handlungen zu verhindern. Derzeit ist es so, daß der Richter, der mit einer strafbaren Handlung konfrontiert ist, im Rahmen der Beurteilung im wesentlichen zwei Möglichkeiten hat: die Geldstrafe und die Freiheitsstrafe. Letztere kann sowohl bedingt als auch unbedingt verhängt werden. – Und das war es auch schon.
Darüber hinaus gibt es in der Jugendgerichtsbarkeit die Möglichkeit des sogenannten außergerichtlichen Tatausgleiches, der teilweise, im Rahmen von Versuchen, auch im Erwachsenenstrafrecht möglich ist. In allen Fällen, in denen der außergerichtliche Tatausgleich bis jetzt angewandt werden konnte, hat er zu signifikanten Verbesserungen geführt, und zwar erstens dadurch, daß die Strafrückfälligkeit der einzelnen Täter reduziert werden konnte, und zweitens insofern, als die Stellung des Opfers verbessert wurde.
Es ist nämlich zu berücksichtigen, daß das Opfer nicht nur einen Vermögensschaden erlitten hat und nicht nur körperliche Schmerzen erleidet, sondern darüber hinaus auch emotionale, seelische Schmerzen. Auf letztere geht man derzeit überhaupt nicht ein. Ich möchte das anhand eines Beispiels erläutern.
Es kommt vor einem Gasthaus zu einem Raufhandel – wegen einer Nichtigkeit. Einer schlägt den anderen im Rahmen dieses Raufhandels nieder, dieser fällt um, bricht sich die Schulter und laboriert sechs Monate lang an diesen Schmerzen.
Derzeit ist es so, daß der Täter verurteilt wird, und das Opfer bekommt möglicherweise irgendwann Schmerzensgeld. – Und das war es auch schon. Das Opfer hat in Wirklichkeit natürlich auch einen emotionalen Schaden erlitten, der sich in den verschiedensten Formen manifestieren kann: etwa in Angstzuständen, in einer Unzufriedenheit oder einfach in einer Verbitterung darüber, daß sich niemand seiner annimmt.
In Zukunft soll es nun so sein, daß, wenn das Opfer das will, im Rahmen des außergerichtlichen Tatausgleiches die Möglichkeit besteht, einen Kontakt zwischen Opfer und Täter herzustellen, im Rahmen dessen der Täter zeigen kann – ich betone: nur dann, wenn das Opfer dies will! –, daß er betroffen darüber ist, daß das Opfer sechs Monate nach einem derartigen Vorfall noch immer leidet. Er soll einsehen, daß das, was er getan hat – nämlich das Niederschlagen –, in keinem Verhältnis zu den Konsequenzen dieser Handlung steht. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)
Ich denke, das wird dazu führen, daß auch beim Täter ein Umdenken stattfindet, eine Bewußtseinsänderung eintritt. Und es kann ja gar nichts Besseres geben, als eine Reduktion der Straftaten dadurch herbeizuführen, daß man schon im Unterbewußtsein der Täter ansetzt.
Auf der anderen Seite wird das Opfer dadurch, daß es die Betroffenheit des Täters sieht, wahrscheinlich auch zufriedener sein, als das jetzt der Fall ist. Daher ist es notwendig, daß wir diese Maßnahmen, die vorgesehen sind, auch umsetzen. (Beifall bei der SPÖ.)