Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 149. Sitzung / 204

"Dazu nur soviel: Versuche einmal, die ÖH abzuschaffen, und beobachte dann, wer dagegen auftritt; das wird garantiert einmal die ÖH selbst sein, das werden aber genauso sämtliche Regierungsstellen, die Parteien, die Universitätsdirektoren und so weiter sein. Die eigentliche Klientel, die Studierenden nämlich, werden sich für die ÖH sicherlich nicht zerreißen. Also: Wer braucht die ÖH?"

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem ist wirklich nur wenig hinzuzufügen! Denn im Hinblick darauf, daß die ÖH in der derzeitigen Form bei den Wahlen eine Wahlbeteiligung von weit unter 30 Prozent aufweist, muß man sich wirklich die Frage stellen, ob in diesem Zusammenhang überhaupt noch von einer ausreichenden Interessenvertretung gesprochen werden kann. Wir Freiheitliche meinen, daß eine echte Interessenvertretung durch die ÖH auch aufgrund dieser Reform, die heute zum Beschluß ansteht, nicht und niemals gewährleistet sein wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! In diesem Zusammenhang bin ich auch etwas enttäuscht, daß uns ein demokratiepolitisch äußerst bedenklicher Entwurf vorgelegt wird. Ich habe das schon im Ausschuß zu analysieren versucht und werde auch hier noch einiges dazu ausführen.

Zunächst muß man einmal die herrschenden Zustände kennen, wenn man reformieren will. Es gibt zwei Probleme: Aufgrund der niedrigen Wahlbeteiligung besteht kaum mehr eine Legitimation. Die Studenten fühlen sich durch diese ÖH nicht vertreten, weil sie ganz einfach nicht akzeptiert wird. Diesbezüglich gibt es Reformbedarf. Und außerdem gibt es Reformbedarf, weil es aus Verschulden der ÖVP-nahen Organisation nach der letzten ÖH-Wahl kaum möglich war, überhaupt eine funktionierende Verwaltung einzusetzen; man hat es kaum geschafft, einen Vorsitzenden zu wählen. – Das ist meines Erachtens Anlaß genug für Reformen, abgesehen von dem dritten Problem, das angeschnitten wird, nämlich dem passiven Ausländerwahlrecht. Und dann legen Sie uns so etwas vor, Herr Minister! Die Vorlage dieses Gesetzentwurfes mit Billigung der Regierungsparteien ist wirklich hanebüchen. Daraus möchte ich dann noch einiges zitieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auf der einen Seite hätte ich mir gewünscht, daß man sich bei der ÖH-Reform, wenn man schon zu keiner Mehrheitsbildung mehr fähig ist, weil es starre Fronten gibt, etwas Kreatives überlegt, etwa daß man eine Prozenthürde einführt, um der Zersplitterung entgegenzuwirken, die zugegebenermaßen der Grund dafür ist, daß es kaum mehr zu Mehrheitsbildungen kommt. Das ist auch der Aktionsgemeinschaft der ÖH zu verdanken, denn es gibt an sich eine Mitte-Rechts-Mehrheit, man ist aber komischerweise seitens der Vorfeldorganisation der ÖVP nur auf die linke Seite orientiert. Und das hat alles so schwer gemacht: Es gibt an sich eine klare Mehrheit, Sie haben diese aber nicht wahrgenommen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Lukesch.)

Man könnte sich überlegen, eine Prozenthürde einzuführen. Man könnte auch, wenn es nach vielen Wahlgängen zu keiner Entscheidung kommt, ganz einfach den Wähler wieder befragen und sagen: Wir sind unfähig, zu koalieren und Mehrheiten zustande zu bringen, wähle daher selbst noch einmal deine Vertretung! – Das wäre demokratiepolitisch das richtige gewesen. Statt dessen führt man die Regelung ein – und da hat sich die ÖVP über den Tisch ziehen lassen, das behaupte ich jetzt einmal und werde es auch begründen –, daß im vierten Wahlgang, wenn es noch zu keiner Mehrheit gekommen ist, plötzlich die relative Mehrheit der gültig abgegebenen Stimmen bei einer bloßen Anwesenheit von einem Drittel der Wahlberechtigten den Vorsitzenden wählen kann. Im Ausschuß wurde ausgerechnet, daß im absoluten Extremfall 9,8 Prozent der Wahlberechtigten den Vorsitzenden bestimmen können. Das ist aber nicht der Fall: Tatsächlich können im Sinne des Gesetzes bereits zwei Wahlberechtigte theoretisch die relative Mehrheit der gültig abgegebenen Stimmen bilden. Und das halte ich wirklich für demokratiepolitisch bedenklich, und ich halte es auch für bedenklich, daß es keine Möglichkeit zu Neuwahlen gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich halte es auch für bedenklich, daß ein derartiger Vorsitzender, wenn ihm das Mißtrauen ausgesprochen wird, nicht abgewählt werden kann, weil man dazu ein Präsenzquorum von 50 Prozent und eine Zweidrittelmehrheit braucht. Das ist meiner Meinung nach wirklich letztklassig und


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