Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / 43

Dann haben wir verlangt, daß die heutige Debatte, weil sie eine Marathontagesordnung aufweist, in 10 "Wiener Stunden" abgehalten werden soll, damit die Opposition überhaupt noch Gelegenheit dazu hat, sich hier zu Wort zu melden. – Es gab keine Zustimmung, kein Entgegenkommen von den Regierungsfraktionen!

Dafür wird aber heute bei einer Tagesblockzeit von 9 "Wiener Stunden", die Sie mit Zweidrittelmehrheit beschließen wollen, gleich die Tagesordnung mit ergänzt, Herr Kollege Wabl. Ich habe es Ihnen in der Präsidialkonferenz schon gesagt: Sie werden von diesen Regierungsparteien über den Tisch gezogen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich weiß nicht, warum Sie da mittun, aber Sie tun mit – jeweils zu Lasten der Oppositionsfraktionen, jeweils zu Lasten des Parlamentarismus insgesamt! Denn der Parlamentarismus erlebt ja, seitdem diese große Koalition erkannt hat, daß sie mit Zweidrittelmehrheit alles machen kann, seinen Schwanengesang.

Streichung von Sitzungstagen! Weil sich die Regierung in Klausur begibt, muß das Parlament Sitzungstage streichen! Wir haben uns nach der Regierung zu richten; nicht die Regierung richtet sich nach dem Parlament, sondern die Regierung bestimmt, wann Sitzungstage stattfinden. Im Jänner wurde ein Sitzungstag gestrichen. Die Opposition war gespalten. Die Grünen und die sogenannten Liberalen sind für die Streichung von Sitzungstagen – wiederum zu Lasten des Parlamentarismus, zu Lasten des Hohen Hauses, immer auf Kommando der Regierung! Natürlich sind die beiden Klubobleute der Regierungsfraktionen sofort dabei, wenn ihre Regierungsmitglieder entsprechende Verlangen an das Haus richten.

In gleicher Manier geht es bei der heutigen Debatte weiter. Herr Kollege Kostelka, wenn das eine Dringliche Anfrage sein soll, dann erläutern Sie das heute noch! Es versteht nicht einmal mehr ein Journalist draußen, daß das eine Dringliche Anfrage sein soll. Weil der Herr Bundeskanzler einen vollen Terminkalender hat, muß man die Geschäftsordnung mißbrauchen, die Geschäftsordnung beugen und mit so einer Wischiwaschi-Dringlichen Anfrage dafür sorgen, daß der Herr Bundeskanzler seine dringlichen Termine wahrnehmen kann, da sich ja das Parlament nach der Regierung zu richten hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das Parlament hat sich nach der Regierung zu richten und nicht die Regierung nach dem Parlament, während aber umgekehrt, Herr Kollege Schwarzenberger, jahrelang Landwirtschaftsvorlagen, etwa der Waldbericht 1996, etwa der Grüne Bericht 1997, hintangestellt werden – genauso wie alle Oppositionsanträge.

Meine Damen und Herren! Da gerade die Familiendebatte durchgeführt wurde: Es ist ja pure Heuchelei, 5 Minuten vor Wahlterminen von Familienpolitik zu sprechen, während alle Anträge im Familienausschuß schubladisiert werden, weil sie von den Oppositionsfraktionen kommen! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Der Familienausschuß tagt ja nicht einmal mehr, Frau Bauer! Er tagt ja nicht einmal mehr! Die Regierung zwingt das, was sie auf der Tagesordnung haben will, auf diese hinauf, was jedoch die Opposition in den Ausschüssen verlangt, ist unerheblich. Am liebsten würde man das Parlament überhaupt auf zwei Regierungsfraktionen reduzieren; davon möchte die eine möglichst rasch und die andere nie mehr wieder wählen gehen. So schaut der Parlamentarismus in diesem Hause aus, meine Damen und Herren! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist der Schwanengesang des Parlamentarismus! Das ist der Schwanengesang des Parlamentarismus und der Herr Präsident schaut zu! Herr Präsident! Das ist meine Kritik an Ihrer Form der Führung des Hauses. Sie schauen zu, wie dieses Parlament immer mehr Rechte verliert, wie dieses Parlament immer mehr von der Regierung dominiert wird und nach der Regierungspfeife zu tanzen hat.

Die heutige Debatte über die Erklärung des Bundeskanzlers zum EU-Ratsvorsitz, wobei, um den Koalitionsfrieden zu wahren, auch noch der Vizekanzler die Debatte beginnen wird, zeigt das ja. Das ist ja überhaupt etwas ganz Neues: Es findet heute eine Dringliche Anfrage statt, der Bundeskanzler gibt eine Erklärung ab, und dann ist der Vizekanzler der erste Debattenredner. Die Abgeordneten werden überhaupt nicht mehr gefragt, was sie zu diesem Thema zu sagen


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite