Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / 48

Im Jahre 1995 wurde das kurdische Exilparlament mit verschiedenen Fraktionen gegründet. 1999 gibt es nun Wahlen in der Türkei.

Meine Damen und Herren! Nachdem ich Ihnen einen Kurzabriß der Geschichte eines Volkes aufgezeigt habe, frage ich Sie: Wohin sollen sich die Kurden angesichts solcher Greueltaten, die ein Volk erlebt hat, heute in Europa wenden?

Nennen Sie mir eine Institution, wo sie sich hinwenden und verlangen können, daß ihre Angelegenheit verhandelt wird. Das ist der Punkt. Das macht die außenpolitische Dimension aus. Deshalb ist es belanglos, von einer innenpolitischen Dimension zu sprechen. Denn diese innenpolitische Situation hat ihre Ursache in der nicht gelösten außenpolitischen Situation, in dem Augenzwinkern in Richtung Türkei: Menschenrechte sind nicht so wichtig. (Abg. Kiss: Darum ist dein Schluß falsch! Darum ist dein Schluß falsch!)

Dabei verheimliche ich nicht die Opfer, die durch die Kurden selbst verursacht wurden, auch jene in ihren eigenen Reihen, meine Damen und Herren! Aber so ist das eben, wenn man auch von staatlicher Seite einen Unrechtszustand zuläßt, dann hat nämlich dieses Augenzwinkern auch andere Folgen!

Wenn man nun behauptet, daß es in der Türkei nur gegen die Kurden gehe, meine Damen und Herren, dann ist auch das ein Grundfehler. Es liegt mir ein Bericht des Anti-Folter-Komitees des Europarates vor. In diesem Bericht – beim Europarat sind wir mit dabei – wird ganz klar von ständigen Folterungen durch das Gefängnispersonal, durch die Polizei, von Mißhandlungen gesprochen. Es sind einige "Schönungen" in diesem Bericht enthalten, damit man sozusagen den Widerstand, das Veto der Türkei umschiffen konnte, meine Damen und Herren!

Nun komme ich zur Abschiebung, Herr Kollege! Sie haben vorher sehr für die Abschiebung gesprochen. Ich darf vorlesen:

Hinzuweisen ist auf den Fall des Asylwerbers Akbas den man im vergangenen Jahr abgeschoben hat. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Warum hat man ihn abgeschoben?) Er war ein kurdischer Asylwerber. Er wurde nachweislich nach seiner Ankunft in der Türkei gefoltert. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Warum hat man ihn abgeschoben? Warum? Warum?)

Die Folter in der Türkei hat nichts mit der Frage seiner Ausweisung zu tun. Das kann verwaltungsrechtliche, strafrechtliche oder andere Gründe haben, meine Damen und Herren! (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Warum? Warum?)

Ich möchte darauf hinweisen, daß gerade dieser Bericht des Anti-Folter-Komitees des Europarates nicht nur von Untaten und Folterungen der türkischen Sicherheitsbehörden gegenüber Kurden spricht, sondern auch gegenüber – unter Anführungszeichen – "normalen Türken", meine Damen und Herren! Deshalb ist es natürlich eine fadenscheinige Ausrede, jetzt von der Türkei folgendes zu verlangen: Jetzt haben wir euch Öcalan geschickt, mach ihm doch einen fairen Prozeß! – Der faire Prozeß ist nicht zu erwarten.

Erlauben Sie mir, daß ich dies kurz abhandle. Herr Öcalan wird wegen § 125 Strafgesetzbuch angeklagt; das hat meine Kollegin Gredler schon ausgeführt. Darauf steht die Todesstrafe. Meine Damen und Herren! Sie werden ihm einige Morde – auch nach türkischem Recht – nachweisen. Sie werden ihn zum Tode verurteilen und dann begnadigen. Das wird das türkische Verfahren sein. Der Druck wird groß sein, ein faires Verfahren wird das nicht sein.

Aber trennen wir doch die strafrechtliche Seite des Herrn Öcalan und anderer von der Frage des kurdischen Volkes. Diese Vermengung von PKK, von Straftaten einzelner mit der gesamten Kurdenfrage ist genau dieses Durcheinander, das man braucht, um auf politischer Ebene nicht tätig zu werden.

Halten wir Menschenrechte, außenpolitische Fragen, sicherheitspolitische Fragen und innenpolitische Fragen ganz klar auseinander! Diese haben nämlich nur in der Ursache etwas gemeinsam, nämlich ein ungelöstes Problem, ein ungelöstes Volksgruppenproblem in der Türkei.


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