Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 162. Sitzung / 60

Schaffenrath wirklich detailliert dargelegt –, trotz der vielen Fakten, die hier auf den Tisch gelegt werden, nichts ändern wird, wie auch Kollegin Schaffenrath gemeint hat. Es hat sich jahrelang nichts geändert, und ich frage mich natürlich anläßlich einer solchen Debatte über den Sozialbericht: Ist etwa die Debatte über den Sozialbericht auch dazu da, daß sich nichts ändert?

Ich habe Kollegin Reitsamer aufmerksam zugehört. Auch sie hat viele Fakten aufgezählt, zum Beispiel die Überstundenentwicklung bei Bahn und Post, und gesagt, daß sie damit nicht einverstanden sei. Und auf einen Zwischenruf von seiten der Freiheitlichen: Das sind doch eure Betriebe!, meinte sie: Die sind ausgegliedert.

Frau Kollegin Reitsamer! Da komme ich zu dem, was die Politik eigentlich machen sollte, nämlich sich nicht zurückzulehnen und zu sagen: Das geht uns nichts mehr an, da können wir nichts mehr machen!, sondern sich auch mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu beschäftigen, die die Sozialpolitik im höchsten Maße formen und auch einschränken. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Im Vorwort zum Sozialbericht heißt es etwa: "Aufgrund erhöhter Wettbewerbsintensität, neuer Unternehmensstrategien und des Vernetzungspotentials der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien sind in einem relativ kurzen Zeitraum vielfältige neue Arbeitsformen entstanden, welche für die Betroffenen wachsende soziale Risken brachten und natürlich auch Auswirkungen auf das System der sozialen Sicherheit haben." – Natürlich auch Auswirkungen!

Aber wie sind denn diese vielfältigen neuen Unternehmensformen entstanden? Hat da die Politik nicht auch mitgemischt? Hat sie nicht dazu beigetragen, daß bestimmte, für die soziale Sicherheit, für die soziale Entwicklung in diesem Land maßgebliche Faktoren gar nicht so unmaßgeblich negativ beeinflußt worden sind? Ist das nicht ein Punkt, der auch in diesem Sozialbericht in einer Analyse eine Rolle spielen sollte? Sollten wir uns nicht damit beschäftigen?

Ich nehme als Beispiel Waagner-Biró her; Kollege Graf hat es schon gebracht. Bei Waagner-Biró sind in den letzten Monaten Hunderte Arbeitsplätze abgebaut worden. Arbeitsplatzversprechen, die dort gegenüber den Beschäftigten anläßlich der Übernahme im Jahr 1995 gemacht wurden – da könnten wir schon den ersten politischen Stopp machen, bei der Übernahme von Waagner-Biró durch die Auricon, weil es nicht zufällig ist, daß damals ein kommunales Unternehmen, eine kommunale Bank, nämlich die Bank Austria, um eine Mezzie Waagner-Biró an die Auricon, an den Herrn Liaunig, weitergegeben hat –, gelten offensichtlich nichts mehr. Denn damals war noch klar: Waagner-Biró ist ein gut arbeitender Betrieb, alles geht aufwärts, und selbstverständlich werden die Arbeitsplätze erhalten. So hat es damals von seiten der Auricon-Geschäftsleitung beziehungsweise Waagner-Biró geheißen. – Kollege Edler nickt.

Jetzt stehen wir vor einer Situation, in der offensichtlich ist, daß ein Unternehmer, der in den Jahren bisher die Rücklagen dieses Betriebes aufgelöst hat, die wirtschaftliche Substanz dieses Betriebes so eingeschränkt hat, daß dieser Betrieb über eine Auftragskrise nicht mehr hinwegkommt und weitgehend zusperren muß. Die Politik und Kollege Edler nicken dazu: Da können wir nichts machen, das sind die Rahmenbedingungen! Was sollen wir denn machen mit einem Unternehmer, der so handeln will? – Das ist das Argument, das man in diesen Tagen hört.

Das Problem ist, daß es dem Unternehmer – in diesem Fall dem Herrn Liaunig – sehr gut geht dabei, sehr, sehr gut! Und das Problem ist, daß sich in diesem Sozialbericht nichts darüber findet, daß es einigen immer besser geht und anderen immer schlechter beziehungsweise nicht so gut, daß sie an diesem individuellen Reichtums- und Vermögenszuwachs, den sich einzelne erwerben können, auch irgendwie partizipieren können.

Es sind schon die Daten angeführt worden betreffend die Entwicklung der Nettomasseneinkommen und der Nettolohnquote. Das ist kein Grund, hier in Zufriedenheit zu verfallen und mit dem Sozialbericht gleichzeitig auch die soziale Lage zu belobigen.

In den Bilanzen dieses Sozialberichtes – und das wird leider nicht so deutlich, wie ich es gerne hätte – sind auch viele Hunderttausende Opfer enthalten, Opfer einer sozialen Entwicklung,


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