Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 179. Sitzung / 67

Sie müssen wissen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, daß es durchaus EU-Länder gibt, die so etwas selbstverständlich nicht kennen, aber bei uns wird natürlich in vorauseilendem Gehorsam gegenüber der Versicherungswirtschaft sofort vorgeprescht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Begründung des Gesetzes sagt ja alles, denn im Antrag selbst heißt es, daß öffentliches Interesse daran bestehe, daß die gesellschaftspolitische Notwendigkeit – und das zitiere ich jetzt wörtlich –, "durch Versicherungsvertrag private Vorsorge treffen zu können, außer Streit steht".

Daß es im öffentlichen Interesse ist, Privatversicherungen abzuschließen, das war mir bis zu dem Tag, als dieses Gesetz in den Ausschuß gekommen ist, völlig neu. Ich dachte, daß in Österreich sozusagen öffentliches Interesse maximal dahin gehend besteht, einen möglichst lückenlosen Krankenversicherungsschutz zu haben, und ich dachte, daß diesbezüglich auch noch an einem gemeinsamen Strang gezogen wird.

Mit diesem Gesetz beziehungsweise mit der Begründung in diesem Gesetz wird genau der gegenteilige Weg beschritten. Und deshalb sind die Befugnisse, die die Versicherungswirtschaft in datenschutzrechtlicher Hinsicht – nämlich in einer Umgehung des Datenschutzes und des Datenschutzgesetzes beziehungsweise in Form einer extensiven Ausdehnung – zugestanden bekommt, mit einem öffentlichen Interesse begründet. Ich habe bis heute von niemandem erklärt bekommen, was das öffentliche Interesse an privaten Krankenzusatzversicherungen ist. Es ist ein eminent privates Interesse, einen guten Versicherungsschutz in vielerlei Hinsicht zu haben, aber das öffentliche Interesse kann sich doch wohl nur auf eine lückenlose Krankenversorgung durch eine Krankenversicherung beziehen.

Nichtsdestotrotz sind diese zwei Änderungen, die jetzt im Gesetz vorgenommen werden, ganz wesentlich; sie weisen das Ganze sozusagen ein wenig in die Schranken. Deshalb stimmt auch die grüne Fraktion diesen Abänderungen zu.

Meine Damen und Herren! Ein paar Sätze zum Datenschutzgesetz.

Das neue Datenschutzgesetz, das heute beschlossen wird, ist sicher – würde ich einmal sehr vereinfacht sagen – besser als das alte, ohne Zweifel, aber ob es deshalb ein Datenschutzgesetz ist, das den modernen Vorstellungen eines Grundrechtes auf informationelle Selbstbestimmung entspricht, das möchte ich wirklich in Zweifel ziehen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

Und jetzt komme ich wieder auf die Kollegin Karlsson zurück: Ich bedaure es jedesmal, daß, wenn Gesetze im Nationalrat novelliert werden – und bei diesem Gesetz ist es ganz besonders kraß, weil es schon ein Jahr im Nationalrat liegt, weil diese EU-Richtlinie eben zu vollziehen ist, weil monatelang nichts geschieht, weil ein Partner den anderen behindert, in diesem Fall diese "Ehe"-Koalitionspartner einander behindern –, nicht ein Gesetz herauskommt, das einen Meilenstein im Gesetzgebungsverfahren darstellt.

Ich meine, daß der umfassende Datenschutz für Bürger und Bürgerinnen ganzheitlich gesehen etwas ist, was dieser Philosophie entsprechen würde, aber dieses Gesetz beinhaltet jetzt, aus der Sicht der BürgerInnen betrachtet, etwas durchaus Gescheites, indem zwischen sensiblen und weniger oder nicht sensiblen Daten unterschieden wird, und selbstverständlich ist es auch zu begrüßen, wenn man bei den sensiblen Daten Verschärfungen vornimmt. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, im Gesetzwerdungsverfahren sind ja schon Einwände von Experten gekommen, also nicht von sozusagen NormalanwenderInnen, wie wir Abgeordnete es auch sind, sondern von Menschen, die sich damit beschäftigen.

Das betrifft beispielsweise den Einwand, daß die Tatsache, daß juristische Personen im gleichen Umfang Datenschutz genießen wie natürliche Personen, nicht ganz klar ist und vor allem nicht ganz den Datenschutzinteressen insgesamt entspricht. Wir bekommen jetzt nämlich immer wieder in parlamentarischen Anfragen keine Antworten mit dem Hinweis auf Datenschutzinteressen juristischer Personen, die verletzt werden könnten. Und da frage ich mich immer: Was sind diese schutzwürdigen Interessen?


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