Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 179. Sitzung / 93

sache. Es geht uns auch und vor allem darum, daß Behinderte am täglichen Leben teilnehmen sollen, ohne in irgendeiner Weise eingeschränkt zu werden.

Das gibt es jetzt nicht: Die Bauordnungen sind nach wie vor so gestaltet, daß sie behindertenfeindlich sind. Es ist nach wie vor gang und gäbe, Gebäude zu errichten, die von Behinderten nicht betreten werden können, und zwar sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Die Bundespolizeidirektion Wels läßt ein neues Wachzimmer bauen, in dessen Eingangsbereich es Stufen gibt. (Abg. Haidlmayr: Weiz ist das! Weiz in der Steiermark!) Das dürfte es doch eigentlich überhaupt nicht geben, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder die Musikschule in Döbling: Herr Bezirksvorsteher Tiller sagt: Wir haben die schönste Musikschule der Stadt. – Das Gebäude ist von den Schwestern Hainisch geschenkt worden. Renoviert wurde es um 20 Millionen Schilling von der Gemeinde Wien. Aber – Sie werden es kaum glauben – in diesem Gebäude gibt es keinen Aufzug! Das heißt, Behinderte können im Festsaal im ersten Stock nicht anwesend sein; sie können nur unten im Eingangsbereich sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie alle haben es in Ihrer Hand, diese behindertenfeindlichen Bestimmungen in Österreich abzuschaffen. Ist es Ihnen schon einmal passiert, daß Sie von zu Hause weggegangen sind, ins Kino gehen wollten, eine Kinokarte gehabt und gewußt haben, welchen Film Sie sich anschauen wollen, aber Angst haben mußten, ob Sie überhaupt ins Kino dürfen? – Wahrscheinlich nicht. Wenn Ihnen das einmal passieren würde, dann wäre es Ihnen selbst ein dringendes Anliegen, etwas zu tun, damit so etwas nicht mehr geschehen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Beispielsweise ist das Apollo-Kino in Wien, um nur eines zu nennen, um 10 Millionen Schilling renoviert worden, aber nur drei Säle sind behindertengerecht, der Rest nicht. Die Behinderten können sich entweder die Filme anschauen, die in diesen drei Sälen gezeigt werden – oder sie können wieder nach Hause gehen.

Oder – das steht auch im Bericht – sind Sie schon einmal, wenn Sie geflogen sind, gefragt worden, ob sie ein ärztliches Attest eingeholt haben? – Sicherlich nicht! Bei Behinderten, bei Rollstuhlfahrern ist es Pflicht, ein ärztliches Attest vorzulegen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das kann man doch nicht hinnehmen!

Oder: Bezirksämter in Wien sind mit Stufen ausgestattet, und da heißt es nur: Sie können läuten, und dann kommt der Portier heraus. – Mir ist das einmal passiert. Ich wollte mit meiner behinderten Tochter zu einer Hochzeit im Magistratischen Bezirksamt für den 18. Bezirk; Bezirksvorsteher ist ein ÖVP-Angehöriger. Der Portier hat mir, als ich ihn ersuchte, er solle mir hinauftragen helfen, gesagt, das tue er nicht, da er nicht wisse, wer da die Haftung übernehme, und außerdem: wie komme er dazu?! Dann hat mir jemand von der Leichenbestattung in diesem Gebäude geholfen, mein Kind in den Hochzeitssaal zu bringen. – So schaut es in Österreich aus! Deshalb ist es dringend notwendig, daß wir etwas machen. – Ich könnte diese Reihe von Beispielen fortsetzen, wenn das nicht meine Redezeit verbieten würde.

Mein Schlußsatz: Es ist dringend notwendig, daß erstens die Länder ihre Rechtsordnungen durchforsten und daß es zweitens endlich ein Antidiskriminierungsgesetz in Österreich gibt, damit Behinderte an allen Aktivitäten teilnehmen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Kiermaier gemeldet. Die Geschäftsordnungsbestimmungen sind bekannt. 2 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.11

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muß meine Vorrednerin tatsächlich berichtigen: Es gibt sehr wohl behinderte Richter. Im Bezirksgericht Amstetten wurde sogar ein eigener Lift eingebaut, und der verstorbene Bezirksrichter Dr. Karl Aigner hat dort jahrelang seinen Dienst versehen. Er ist sogar


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