Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 6. Sitzung / Seite 160

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

ist, noch einen Militär- oder Ersatzdienst macht und dann das Studium in fünf bis sieben Jahren durchzieht. Währenddessen wohnt er entweder bei den Eltern, in einem Wohnheim oder in einem Studentenheim und bezieht ein Stipendium, falls seine Eltern sein Studium nicht finanzieren können, und anschließend geht er dann gleich einer Berufstätigkeit nach, die zu seinem Studium passt. Das ist ein Konstrukt, ein Normstudierender. Die Realität schaut anders aus.

Der Anteil der Studierenden, die einem Erwerb nachgehen, betrug im Wintersemester 1997/98 – ich beziehe mich auf einen Bericht der ÖH – schon 60 Prozent, also nicht, wie Kollege Schender gesagt hat, 50 Prozent. Das heißt, jeder zehnte Studierende geht regelmäßig einer Vollzeiterwerbsbeschäftigung nach, 21,3 Prozent sind teilzeitbeschäftigt, und 15,8 Prozent sind unregelmäßig erwerbstätig. Trend steigend.

11 Prozent der Studierenden haben bereits ein Kind oder mehrere Kinder und 11,9 Prozent unter ihnen sind AlleinerzieherInnen; das ist auch wichtig, zu erwähnen. 22 Prozent der Studierenden mit Kindern arbeiten voll, davon mehr Männer als Frauen. Bei der Teilzeitarbeit ist der Frauenanteil höher als jener der Männer.

Auch bei den Studierenden ist es anscheinend so, dass für die Betreuung der Kinder in erster Linie die Frauen als zuständig erachtet werden, während die Männer in dieser Zeit rascher ihr Studium absolvieren können, leichter nebenbei arbeiten können und schneller einer Berufstätigkeit nachgehen können.

Ich erwähne das deshalb, weil das im Zusammenhang mit dem Thema "Drop-outs", Studienverzögerer und so weiter gesehen werden kann und das im Schnitt steigende Alter der Studierenden so oft gerügt und bemängelt wird. In der Realität sind das aber dann oft genau solche Fälle, wie ich sie soeben geschildert habe. Ich weiß, wovon ich da spreche, weil ich diese Situation, besonders die Situation der Frauen mit Doppel- und Dreifachbelastung, aus eigener Erfahrung gut kenne. Das sieht so aus: Wiederaufnahme des Studiums nach einer längeren Kinderpause und dann neben dem Studium Teilzeitarbeit.

Wenn ich während meines Studiums ein Kind bekomme, mich zum Großteil alleine um die Erziehung meines Kindes kümmern muss, brauche ich für mein Studium naturgemäß länger. Das soll aber nicht dazu führen, dass ich durch Vorenthaltung sämtlicher Förderungs- und Unterstützungsmittel dann automatisch quasi bestraft werde dafür.

Es ist vielmehr so, dass einer veränderten gesellschaftlichen Situation, in der wir zu einem großen Teil mehr oder weniger junge Erwachsene als Studierende vorfinden, die voll oder teilweise in die Berufstätigkeit eingebunden sind, was ich im Prinzip auch ganz okay finde, und die auch schon unter Umständen ein Kind oder mehrere Kinder haben, in Hinkunft stärker Rechnung getragen werden muss. Und zwar müsste erstens für alle Studierende, die neben ihrem Studium arbeiten wollen oder auch müssen, ein flexiblerer Rahmen für Zuverdienstmöglichkeiten geschaffen werden. Konkret sollte der Durchrechnungszeitraum für Nebenbeschäftigung auf ein Jahr veranschlagt und die monatlichen Verdienstfreigrenzen abgeschafft werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Und zweitens braucht es eine Reihe struktureller Maßnahmen, um die Studienbedingungen speziell für Frauen zu erleichtern, nämlich die Schaffung von Kinderbetreuungseinrichtungen mit größerer zeitlicher Flexibilität, die Schaffung besserer Möglichkeiten zur Ausschöpfung von Stipendien für Frauen durch die Anrechnung von Kindererziehungszeiten, die Änderung beziehungsweise Anpassung von Stundenplänen bei Studienrichtungen, die in besonders hohem Ausmaß von Frauen belegt werden, mehr Flexibilität durch die Möglichkeit zum halbtägigen Besuch oder Ergänzung durch Heim- oder Fernstudium und nicht zuletzt die Umsetzung der Forderung der ÖVP nach Karenzgeld für alle. Das wäre nämlich gerade für studierende Frauen mit Kindern eine große reelle Hilfe. Im Moment – ich habe mich nach den Zahlen erkundigt – käme das für 300 bis 400 Frauen in Frage. (Beifall bei der ÖVP.)

Was also in den nächsten Jahren gefordert sein wird, ist eine Bildungspolitik, die einfach den stark veränderten gesellschaftlichen Bedingungen entspricht und auf ein im Wandel begriffenes


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite